Ein Obstgarten mit Geschichte und Zukunft
Die Familie Rauch begann vor rund hundert Jahren in Schlins mit der Landwirtschaft. Heute wird der Hof von Barbara und ihrem Sohn Bernhard geführt. Neben Milch sind es Ländle Äpfel, die zum wichtigen Erwerbszweig geworden sind.
Bernhard Rauch zeigt auf ein Stallgebäude, das seit rund hundert Jahren existiert. Es war der Anfang des landwirtschaftlichen Betriebes, der nun in der vierten Generation geführt wird. Vor hundert Jahren zählte Schlins nicht einmal 700 Bewohner:innen, von denen der größte Teil in der Landwirtschaft tätig war. „Damals gab es rund 100 Bauernhöfe, heute sind es gerade mal sechs, auf denen Landwirtschaft im Haupterwerb betrieben wird“, nennt der Sohn eine Zahl, die den Strukturwandel unterstreicht. Einer davon ist der „Rauch-Hof“. Der 34-jährige Absolvent der Landwirtschaftsschule mit Matura führt den Milchvieh- und Obstbetrieb mittlerweile gemeinsam mit seiner Mutter Barbara, nachdem Vater Dietmar vor drei Jahren in den Ruhestand gegangen ist. Um nochmals kurz einen Blick auf die 20er-Jahre des vorigen Jahrhunderts zu werfen, bringt Bernhard Rauch einen Vergleich. „Heute sind wesentlich mehr Menschen als Kühe im Dorf – vor hundert Jahren war dies fast ausgeglichen.“ Schnell zusammengerechnet gibt es rund 220 Kühe in Schlins. 45 davon hat er selbst – dazu kommen noch ca. 40 Stück Jungvieh. Menschen leben mittlerweile rund 2.600 in der knapp sechs Quadratkilometer großen Walgau-Gemeinde. Also mehr als zehnmal so viel.
Wie eine Trutzburg
Die zwischen Satteins und Schnifis liegende Kommune ist zu einem beliebten Wohnort geworden. Ein- und Mehrfamilienhäuser sowie Industrie- und Gewerbebetriebe prägen das Ortsbild. Da wirkt der im Dorfkern direkt an der Walgaustraße gelegene „Rauch-Hof“ fast wie eine Trutzburg zwischen all den neu entstandenen Gebäuden. „Die Akzeptanz für die Landwirtschaft ist da, es gibt keine Konflikte mit den Nachbarn“, lobt der Mittdreißiger das Miteinander. Denn für den Vater von drei Kindern (Jonas, Valentina und Lukas) und seine Lebenspartnerin Sabine ist klar, dass sowohl die Wertschöpfung als auch die Wertschätzung passen müssen. „Es muss etwas herauskommen, bei dem, was man produziert. Ansonsten funktioniert es nicht.“ Das Hauptstandbein der Familie ist die Viehwirtschaft – die Milch wird zur Gänze an die Dorfsennerei Schlins geliefert, in der Bernhard auch im Büro beschäftigt ist. Die Arbeitszeit in der Sennerei kann er sich frei einteilen, damit er die Landwirtschaft entsprechend betreiben kann. Zusätzliche Einnahmequellen sind der Obstbau und im geringen Maße auch Strom, der über die hauseigene PV-Anlage eingespeist wird.
17 Ar großer Obstgarten
Rund um ein Fenster des Wohngebäudes des Hofes ziert ein Fresko die Fassade. Es stammt von Johannes Rauch – einem Künstler und Verwandten der Familie. Auf dem Bild ist unter anderem eine junge Frau zu sehen, die in ihren beiden Händen Früchte hält. Ein Symbol für die Ernte, denn mit dem Obstbau hatte bereits Bernhards Großvater Josef – er starb im Vorjahr im 100. Lebensjahr – vor langer Zeit begonnen. Wie in einem Wimmelbild lässt sich in der Wandmalerei nach und nach allerlei entdecken. Dasselbe gilt auch, wenn man den 17 Ar großen Obstgarten mit Äpfeln, Birnen, Kirschen und Zwetschken näher unter die Lupe nimmt. Je nach Jahreszeit sprießt und wächst es in den verschiedensten Farben. „Allein bei den Äpfeln haben wir rund 20 Sorten“, präzisiert Rauch. Die Hauptsorte ist der Elstar, der in Vorarlberg äußerst beliebt ist. „Dazu kommen noch Grafensteiner, Zari, Topaz und gut 15 andere Sorten“, ergänzt er. In einem normalen Erntejahr sind es fast 5.000 Kilogramm Äpfel, die im Ab-Hof-Laden in der Direktvermarktung verkauft werden. Birnen und Zwetschken ergänzen das fruchtige Programm. Da der Betrieb über kein Lager verfügt, werden die händisch gepflückten Ländle Äpfel frisch vom Baum verkauft. Regionaler und näher geht es nicht mehr. Um den Verkauf kümmern sich Barbara und Lebensgefährtin Sabine. Durch die verschiedenen Reifezeiten der einzelnen Sorten sind die knackigen Früchte von Mitte August bis Ende Oktober erhältlich. Anders als in den Supermärkten, wo das Obst von der Optik und der Größe her ganz bestimmte Kriterien erfüllen muss, müssen die Äpfel bei der Ab-Hof-Vermarktung in ihrem äußeren Erscheinungsbild nicht perfekt sein. Geschmacklich sind sie freilich eins a.
Es wird Hand angelegt
Gesund sind sie allemal, die saftig-knackigen Vitaminspender, die als das beliebteste Obst in Vorarlberg gelten. Ländle Äpfel sind berechtigterweise begehrt, da sie – wie im Falle der Familie Rauch – mit höchster Sorgfalt und großem manuellen Aufwand produziert werden. So verzichtet Bernhard Rauch auf mineralische Düngung ebenso wie auf chemische Unkrautvernichtung. Beim Pflanzenschutz wird äußerst sparsam und schonend vorgegangen. Dafür legt er selbst mit Sense und Rasenmäher Hand an und arbeitet mit Nützlingen wie Marienkäfern oder Ohrwürmern, die als wertvolle Helferlein gegen Schädlinge dienen. Auch wenn der Hof zentral im Dorf gelegen ist, umfasst das landwirtschaftliche Gut der Familie Rauch insgesamt 40 Hektar. Der Großteil davon sind Dauergrünland beziehungsweise Biodiversitätsflächen, auf denen 50 Streuobstbäume stehen. Aus deren Obst entstehen Moste und feine Brände, die ebenfalls ab Hof erhältlich sind.
Vom Frühjahr bis zum Herbst sind die Arbeitstage lang. Dennoch stand für Bernhard Rauch, der noch zwei Geschwister hat, seit Kindheitstagen fest, dass er den Hof einmal übernehmen wird. Das war vor drei Jahren der Fall. Auch als Zeichen dafür, dass eine modern geführte Landwirtschaft durchaus Zukunft hat.