Unsere Interviewpartnerin der luag Ausgabe 1 / 2023 ist eine junge steirische Landwirtin: Martina Prutsch. Sie lebt und arbeitet auf dem Hof ihrer Eltern. Durch ihre Präsenz auf Instagram hat sich ihr Tätigkeitsbereich noch stark erweitert. Darüber wollten wir mehr wissen.
Ihr betreibt in der südöstlichen Steiermark einen kombinierten Schweinebetrieb. Was bedeutet das genau?
Martina: Wir haben einen geschlossenen Produktionskreislauf. Alle Schweine werden auf unserem Hof geboren, verbringen ihr gesamtes Leben bei uns und werden schlussendlich beim 2 Kilometer entfernten Schlachthof geschlachtet. Wir bringen die Tiere selbst dorthin, und vermeiden somit Einflüsse von außen. Das Futter für die Schweine wird von uns selbst angebaut: Mais, Hirse, Gerste und Weizen.
Wie vermarktet ihr eure Produkte?
Martina: Die Schweine werden an Verarbeiter verkauft, das Getreide größtenteils als Futter verwendet. Durch meine Leidenschaft fürs Backen ist irgendwann das Thema Direktvermarktung aufgetaucht. Wir haben schon seit eh und je den steirischen Ölkürbis angebaut – etwas Klassisches in der Steiermark – und lassen die Kerne zu Öl pressen. So haben wir inzwischen ein kleines aber feines Sortiment im Direktvermarktungs-Angebot in Form eines Onlineshops: Kürbiskernöl, Weizenmehl, Popcornmais und weitere Produkte aus Kürbis (Pesto, Cracker etc.).
Fast schon ein zweiter Beruf ist dein Instagram Kanal. Du bist eine sogenannte Farmfluencerin, also Influencerin landwirtschaftlicher Themen. Wie bist du dazu gekommen?
Martina: Mich hat es schon immer geärgert, wenn die Landwirtschaft in ein falsches Licht gerückt wird. Und als vor gut zwei Jahren, es war im Jänner 2021, im Fernsehen ein unglaublich negativer, einseitiger und fehlerhafter Bericht über die Landwirtschaft ausgestrahlt wurde, dachte ich mir: jetzt ist es genug! Ich lasse mich nicht so hinstellen und will etwas dagegen tun. Was fällt einem Journalisten, ohne Kenntnisse des landwirtschaftlichen Berufs, ein, sich eine Meinung zu bilden und diese ohne wirkliche Recherche oder die Einholung anderer Ansichten auszustrahlen. Das hat mich sehr geärgert. Also habe ich begonnen, meinen bis dahin 200 privaten Followern zu zeigen, wie meine tägliche Arbeit eigentlich aussieht. Meine erste Story handelte von der Funktion eines Fütterungssystems. Als das Interesse dann immer größer wurde, habe ich den Account auf öffentlich gestellt, wodurch er auf inzwischen 45.000 Follower angewachsen ist.
Mich hat es schon immer geärgert, wenn die Landwirtschaft in ein falsches Licht gerückt wird.
Martina Prutsch
Was glaubst du, warum dir so viele Personen folgen? Und gab es besondere Erlebnisse mit einzelnen Followern?
Martina: Es gibt in meinem Alter in den Sozialen Medien nicht so viele Bäuerinnen, die sich mit dem Traktor bei der Feldarbeit zeigen, daher habe ich auch mit dem Thema Ackerbau weitergemacht. Auch hier gibt es kontroverse Themen wie zum Beispiel den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln. Da ich mit meiner fachlichen Kompetenz aber sachlich aufkläre, werden meine Argumente eher angenommen. Und durch das Vertrauen, das meine Follower inzwischen in mich und meine Aussagen haben, fällt das Erklären wiederum leichter. Die Leute wollen die Meinung von Personen aus der Praxis hören. Außerdem tausche ich mich im Vorfeld gerne mit Freunden außerhalb der Landwirtschaft aus, damit meine Darstellungen auch für alle verständlich sind. Genauso beinhalten meine Posts neben dem Ackerbau aktuelle Themen wie die Herkunftskennzeichnung oder Lebensmittel allgemein.
Trotzdem gibt es natürlich immer wieder Kritik, wenn auch eher allgemein gegen die Landwirtschaft und nicht gegen mich. So hat sich beispielsweise ein User beschwert, dass der Bauer in seiner Nachbarschaft im Zuge der Feldarbeit die Straße verdreckt hat. Seiner Meinung nach, bräuchte man die gesamte Landwirtschaft gar nicht. Ich habe dann die sachliche Diskussion gesucht und konnte meinen Standpunkt erklären. Er hatte ein negatives Beispiel vor der Haustüre und das auf alle umgemünzt. Inzwischen bekomme ich immer wieder Fotos von ihm, welches regionale Produkt er gerade gekauft hat. Er hat also eine 180 Grad Drehung hingelegt. Das motiviert mich, meinen Weg so weiterzugehen.
Mit aktuell 45.000 Followern hast du eine große Community. Gab es einen Schlüsselmoment, ab dem dein Kanal extrem gewachsen ist?
Martina: Die Followerzahl ist seit dem Start kontinuierlich gestiegen. Für mich war die Zahl aber nie wichtig und ich setze mir hier keine Ziele. Ich wollte von Anfang an interessierte Personen erreichen und ihnen Wissen über die Landwirtschaft vermitteln. Dass es so viele geworden sind, ist natürlich erfreulich, insbesondere für das Thema Landwirtschaft an sich. Für mich ist viel wichtiger, wie viele Personen meine Inhalte sehen und auch wie viele darauf reagieren und in einen Dialog treten.
Die Inhalte deines Instagram-Kanals beziehen sich auf Infos zur Landwirtschaft und speziell deiner Arbeit am Hof. Dort sieht man jedoch keine Fotos von euren Schweinen. Woran liegt das?
Martina: Das ist für mich Zukunftsmusik: ich habe mit dem Thema Ackerbau begonnen und auch hierbei gibt es unzählige Themen, die man öffentlich ansprechen und für Aufklärung sorgen muss. Die Tierhaltung polarisiert und führt oft zu konträren und auch festgefahrenen Positionen in der Diskussion. Ich möchte mir in diesem Bereich selbst erstmal ein sehr umfangreiches fachliches Wissen aneignen, um dann gegenüber Vorverurteilungen auch fachlich Stand zu halten. Nur mal ein Beispiel: wenn fremde Personen einen Stall betreten, laufen die Tiere automatisch zusammen, ein Reflex. Wird diese Szene mit vielen Tieren auf einem Fleck dann fotografiert, suggeriert es einen viel zu engen Stall, obwohl daneben noch viel freie Fläche zur Verfügung steht. Eine sachliche Diskussion könnte aus meiner Sicht zu besserem Verständnis führen. Daher will ich dieses Thema in Zukunft auch noch stärker mit einbinden.
Was rätst du Bäuerinnen und Bauern, die selbst auf Social Media aktiver werden wollen?
Martina: Gebt Auskunft über das, was ihr selbst auf euren Höfen macht. Dort seid ihr Experten und könnt erklären, warum ihr euch für diese Bewirtschaftungsform entschieden habt. Seid ehrlich, offen und begründet eure Wirtschaftsweise. Denn es gibt nicht den einen richtigen Weg – jede Situation, jeder Standort ist anders. Geht auf Kritik ein und antwortet sachlich. Aber bevor ihr euch für diesen Schritt entscheidet, solltet ihr überlegen: habe ich die Zeit und Kraft dafür? Denn nur, wenn ich es richtig mache, wird es funktionieren. Mit „richtig machen“ meine ich aber nicht gleich die Umsetzung. Hier gilt es Verschiedenes auszuprobieren, nicht aufzugeben und aus Fehlern zu lernen.
Was aus meiner Sicht noch essentiell ist – insbesondere bei größerer Reichweite: denkt an den Schutz eurer persönlichen Daten. Gebt nicht alles Preis.
Was würdest du dir wünschen, wie Konsument:innen sich in Bezug auf die Landwirtschaft verhalten?
Dass noch mehr Menschen Interesse am Thema Lebensmittel und Landwirtschaft zeigen. Fragt bei Praktikern nach, holt euch mehrere Meinungen ein, damit es nicht einseitig ist. Ihr könnt bei den Landwirten fragen, sie anschreiben, anrufen oder sogar vorbeikommen. Denn Hinterfragen ist gut, aber es sollten nicht bestimmte Bewirtschaftungsformen von vornherein abgelehnt werden.
Martina Prutsch
Junglandwirtin
Alter: 23
Wohnhaft: südliche Steiermark
Ausbildung: Matura an der HLW 2019, Facharbeiterkurs Landwirtschaft, noch ein Jahr bis zum Abschluss Meisterin in der Landwirtschaft.
Hobby: Backen
Zukunft: Übernahme des elterlichen Hofs