Der Ackerbau hat in Vorarlberg eine lange Tradition, ist aber nicht so weit verbreitet wie die Milchwirtschaft, was topografisch betrachtet nachvollziehbar ist. Wir wollten wissen, wie es um den Ackerbau im Rheintal steht, und haben beim Experten Dr. Florian Bernardi „nochgfrogt“.

Du bist bei der Klaus Büchel Anstalt (kba agrarsolution) in Liechtenstein tätig. Welche Leistungen werden dort angeboten und was sind deine Aufgaben?
Florian Bernardi: Die kba agrarsolution ist ein privates Beratungsbüro mit über 35-jähriger Erfahrung. Wir bearbeiten verschiedene Projekte entlang der Wertschöpfungskette des Ernährungssystems wie auch neue und relevante Entwicklungen wie z. B. Agroforst oder CO₂-Bindung durch Humusaufbau. Ich bin seit 15 Jahren dort tätig und befasse mich insbesondere mit Regionalentwicklung mit Schwerpunkt biologische Produktion. Dabei berate ich sowohl biologisch als auch konventionell wirtschaftende Betriebe. Die Beratung berücksichtigt den Pflanzenanbau an sich – also was angebaut werden soll – genauso wie die Aspekte Verarbeitung und Wirtschaftlichkeit. Es geht also um Überlegungen zur Verarbeitung der angebauten Produkte und ganz stark um die aktuelle Marktsituation: Gibt es eine Absatz- oder Verarbeitungsmöglichkeit mit entsprechender Wertschöpfung?
Wie sieht die landwirtschaftliche Nutzfläche in Liechtenstein aus? Ist sie mit der in Vorarlberg zu vergleichen?
Florian Bernardi: Grob kann man sagen, dass wir entlang der Rheinebene im Allgemeinen sehr fruchtbare Böden haben. Das betrifft also Vorarlberg, Liechtenstein und die Schweiz. Die Landwirte wollen diese Bodenfruchtbarkeit fördern und greifen zu nachhaltigen Methoden: Zwischenfrüchte, Gründüngung und die richtige Fruchtfolge. Der Boden sollte möglichst durchgehend mit Pflanzen bedeckt sein und nicht brach liegen. Dann ist die biologische Aktivität hoch und das Risiko für Erosion klein. Das Rheintal ist aber auch für tierhaltende Betriebe sehr interessant, da sich die Böden für den Anbau von Mais, einer typischen Pflanze im Rheintal, eignen, aber auch in der Fruchtfolge eiweißreiche Gräser gut wachsen. Ansonsten ist Vorarlberg von der Topografie her ein typisches Gebiet für die Milchwirtschaft, besteht es doch größtenteils aus Berggebiet.
Wie beratet ihr die Landwirtinnen und Landwirte im Pflanzenanbau? Welche Kulturen machen wirtschaftlich und anbautechnisch Sinn?
Florian Bernardi: Das hängt immer sehr stark von den Personen und vom Betrieb ab: Welches Know-how kann vorgewiesen werden? Welche Maschinen sind vorhanden? Wie fruchtbar sind die Böden? Und nicht zu vergessen: Was wird am Markt nachgefragt? Grundsätzlich ist Gemüse sehr interessant, aber man muss hier auch die immer größeren Herausforderungen mit dem Pflanzenschutz bedenken: Immer mehr Mittel gegen bestehende Probleme werden verboten. Zudem werden immer wieder neue Unkräuter und Ungräser wie das Erdmandelgras oder Schädlinge importiert. Karge Böden sind für den Anbau von Dinkel, Einkorn, Emmer und Roggen interessant, Roggen wächst speziell auch im Berggebiet. Stark im Kommen sind auch Eiweißpflanzen: Hülsenfrüchte wie Ackerbohnen oder Gelberbsen. Für deren Anbau eignen sich auch weniger fruchtbare Böden, sogar im Hügel- oder Berggebiet. Und es gibt Chancen am Markt, da sie als Alternative zu Kichererbsen zu sehen sind, welche wegen der hohen Nachfrage nach Hummus gefragt sind. So entstand das Produkt Alpenhummus aus Gelberbsen.
In den Hügelzonen kann unter bestimmten Voraussetzungen auch Bergackerbau betrieben werden – eine spannende Entwicklung. Genügsame Pflanzen wie Roggen gedeihen gut, aber es gibt auch schon interessante Produkte wie Bergkartoffeln. Durch den geringeren Schädlingsdruck als im Tal und das stärkere Wechselspiel der Temperaturen zwischen Tag und Nacht, also warm und kalt, entwickeln diese Sorten besondere Inhaltsstoffe, die sich auch geschmacklich auswirken.

Wie stehst du Forderungen von mehr Pflanzenanbau anstelle von Tierhaltung gegenüber?
Florian Bernardi: Es ist wichtig, dass die pflanzliche Nahrungsmittelproduktion gezielt weiterentwickelt wird. Die je nach Region dominierenden topografischen, klimatischen und bodenkundlichen Bedingungen sowie der gesellschaftlich gewünschte ökologische Ausgleich machen die Tierhaltung unverzichtbar. Nur die Wiederkäuer (Rind, Schaf, Ziege) können die für Menschen nicht verzehrbaren Pflanzen wie Gras oder Reste von Ackerfrüchten und Getreide zu hochwertigen Nahrungsmitteln wie Fleisch und Milch veredeln. Diese Lebensmittel werden für die Ernährung der Weltbevölkerung dringend benötigt. Dazu gibt es seitens der Uni München eine anschauliche Studie: Wenn man die gesamte landwirtschaftlich verfügbare Fläche auf der Welt mit einem Fußballfeld vergleicht, dann sind nur die beiden Strafräume geeignet, um Ackerbau für die menschliche Ernährung zu betreiben. Das reicht nicht, um den Kalorienbedarf der Weltbevölkerung zu decken. Wir sind auf das Grünland angewiesen, um tierische Kalorien zu produzieren. Das geht in dieser Diskussion oft unter.
Die Frage ist: Aus welchen Ressourcen werden die wertvollen Rohstoffe gewonnen? Und da ist der Alpenraum und somit auch Vorarlberg prädestiniert, weil auch genug Wasser vorhanden ist, was in anderen Gebieten immer mehr zur Magelware wird. Man muss auch beachten, dass nicht jede:r Landwirt:in seine Bewirtschaftungsform ändern will bzw. kann. Es geht um das Wissen und Können einerseits sowie um die betriebliche als auch maschinelle Infrastruktur andererseits. Wenn ein Stall mit größeren Investitionen gebaut wurde, kann die Landwirtin oder der Landwirt diesen nicht von heute auf morgen leer lassen oder nur teilweise besetzen. Das dann benötigte Futter stammt idealerweise aus eigener Produktion. Daher gibt es auch in Gunstlagen Felder für die Futterproduktion.
Der Klimawandel führt auch in der Landwirtschaft zu massiven Veränderungen. Was kannst du uns aus deiner Praxis dazu berichten? Und gibt es durch diese Veränderungen auch Chancen?
Florian Bernardi: Neben immer häufiger auftretenden Wetterextremen verändert sich durch den Klimawandel derzeit insbesondere der Rhythmus. So kann früher im Jahr gesät oder gepflanzt werden und die Anbauzeit im Herbst wird verlängert – vorausgesetzt, der passende Boden ist vorhanden und die richtigen Sorten werden verwendet. Ich rechne damit, dass sich in fünf bis zehn Jahren auch das Anbauspektrum ändern wird. Die Landwirte müssen entsprechend das Wissen im Anbau erweitern und es benötigt Abnehmer:innen der neuen Kulturen. Das sehe ich als Chance. Bei den Pflanzenarten wird es sich meiner Meinung nach in Richtung von Eiweißpflanzen bewegen: Bohnen, Erbsen und Lupinen. Hier suchen wir auch passende Partner:innen im Anbau, um das Wissen gemeinsam zu erlernen. Wir empfehlen bei Versuchen eine Kultur etwa drei Jahre anzubauen. Dann sieht man, ob sie sich dauerhaft eignet oder eben nicht. Denn es geht neben äußeren Einflüssen durch das Wetter und Schädlinge auch um den richtigen Zeitpunkt für Bodenbearbeitung und Unkrautbekämpfung. Diese Erfahrung muss gemacht werden.
Sehr spannend wird in den nächsten Jahren das Thema Mischkulturen. Da werden beispielsweise Linsen mit Gerste auf demselben Feld kombiniert angebaut. Im bodennahen Bereich wachsen die Linsen und nutzen die Halme der Gerste als Stützfrucht. Die große Kunst liegt dann in der Ernte. Beide Kulturen müssen zeitgleich abreifen, um dann gemeinsam geerntet werden zu können. So wird durch die zwei Produkte das Risiko des Ausfalls bzw. von Ernteverlusten reduziert. Es gibt zwar Ertragseinbußen bei beiden Kulturen, aber auch viele Vorteile: Leguminosen, also Hülsenfrüchte wie Soja, Bohnen und Erbsen, sind sehr gut für die Bodenfruchtbarkeit, weil sie Stickstoff aus der Luft fixieren, also an den Boden abgeben, was für die nächste Kultur in der Fruchtfolge von Vorteil ist. Es kann somit auf Stickstoffdünger verzichtet werden. Zudem bleibt die Feuchtigkeit besser im Boden als bei einer einzelnen Kultur.
Hinzukommen wird auch das Thema Agroforst: Da werden auf den Ackerflächen in regelmäßigen Abständen Baumreihen gepflanzt. Das hilft, Wasser auf dem Feld zu halten, sorgt für Schatten und ist somit temperaturregulierend. Weitere Pflanzen können zukünftig angebaut werden. Nördlich von Wien wurden bereits die ersten Mandelbäume gepflanzt. Es gibt auch schon den ersten österreichischen Erdnussproduzenten und verschiedene Anbieter von Reis in Österreich, der Schweiz und Liechtenstein. Zum Glück ist die Veränderung bei uns noch nicht so extrem wie in anderen Gegenden der Welt. Dadurch haben wir die Chance, unsere Landwirtschaft langsam an die neuen Begebenheiten anzupassen und dabei auch Verarbeiter:innen, Konsumentinnen und Konsumenten an das veränderte Angebot zu gewöhnen.
Veröffentlicht am 24.10.2025







