Es ist 5:30 Uhr, als für Hubert Manser die Nacht ein Ende hat. Dann ist für den Pächter der Alpe „Stoggertenn“ im Gemeindegebiet von Bizau Tagwache angesagt. Die Luft scheint am frühen Morgen noch besonders frisch und äußerst zaghaft beginnt sich rundherum das Leben wieder zu regen. Auch beim 50-Jährigen verschwindet die Müdigkeit, die ein langer Alptag mit sich bringt, wieder langsam aus den Knochen. Über vier Monate hat der Senner mittlerweile auf seiner Alp verbracht. Jetzt, wo langsam der Herbst einbricht, wird auch für den Himmel der Tagesanbruch immer zögerlicher. Nur noch wenige Tage, dann ist für Hubert Manser auf knapp 1.500 Meter Höhe Schluss. Dann hat er seinen 28. Alpsommer in Folge – davon 20 als eigener Pächter – hinter sich gebracht.
Doch noch fordert der neue Morgen die ganze Kraft und Konzentration. Der Tag wird wieder lang werden, bis alle Arbeiten erledigt sind. Spätestens um sieben Uhr früh sind die Kühe an der Reihe. Sie müssen gemolken werden. Die frische Milch wird später für den Käse verwendet, den Hubert Manser produziert. 43 Kühe sind es an der Zahl, die unter seiner Obhut stehen. Sie stammen von sechs Landwirten, die ihr Vieh dem leidenschaftlichen Älpler anvertrauen. Dazu kommen noch Ziegen und 15 Ländle Alpschweine, die gierig nach der Molke schlürfen, mit der sie gefüttert werden.
Saftige Wiesen für besten Käse
Für die Kühe heißt es nach dem Melken hinaus aus dem Stall in den noch frischen Morgen. Durch den relativ feuchten Sommer sind die Wiesen in diesem Jahr besonders saftig. Den Tieren schmeckt’s jedenfalls. Während sie draußen weiden, widmet sich Hubert Manser seiner eigentlichen Tätigkeit auf der Alp: dem Sennen.
Rund 170 Laibe besten Alpkäse stellt er aus dem gewonnenen „weißen Gold“ jeden Sommer her. „Das entspricht einer Menge von 3.500 Kilogramm“, rechnet er aus. Nebenbei fallen noch ca. 200 Kilogramm Alpbutter an. Und etwas Ziegenkäse, der reißenden Absatz findet. Selbst wer nicht mit der Materie des Käseherstellens vertraut ist, bekommt eine Ahnung, was diese Zahlen bedeuten. Es muss mit höchster Präzision und enormem Einsatz gearbeitet werden, um diese Mengen produzieren zu können. Das Handwerk hat er in der Sennerei Au-Rehmen gelernt, wo er 15 Jahre lang gearbeitet hat. Hinzu kommen noch weitere Tätigkeiten, die anfallen: Sei es die Kessel reinigen, die Laibe pflegen, Holz hacken oder sich um die Tiere kümmern.
Alles was das Wanderherz begehrt
Allein ist Hubert Manser bei seinen Arbeiten nicht. Auch seine Frau Irmgard ist im Sommer auf der Alp, sie kümmert sich hauptsächlich um die Gastronomie. Denn die Alp bietet den hunger- und durstgeplagten Wanderern verschiedene Köstlichkeiten aus eigener Produktion wie Milch und Käse, aber auch Brettljausen und vieles mehr. Diejenigen, die zu den Mansers kommen, schätzen das fantastische Gebirgspanorama am Nordhang des Diedamskopfs.
Sieben Tage die Woche hat die Alp geöffnet. Vom Parkplatz Schönenbach – einer Vorsäßsiedlung im hinteren Bregenzerwald, die nur von Juni bis September bewohnt ist – führt ein sechs Kilometer langer Weg hinauf zur Alpe Stoggertenn. Die Ansiedlung Schönenbach liegt auf einem Plateau zwischen dem Hirschberg und dem Diedamskopf, durch das sich ein Bach schlängelt. Auch von Au aus, wo das Ehepaar Manser wohnt, kommt man hinauf. Manchmal fährt Hubert Manser während der Alpsaison auch hinunter, um Heu zu machen.
Stark im Familienverband
Zu den Mansers gehören neben Hubert und Irmgard auch ihre beiden Kinder Jürgen (16) und Jasmin (14). Sie sind sozusagen mit der Alpe groß geworden. Der Sohn hat in diesem Jahr aber mit einer Tischlerlehre begonnen. „Nun ist er nur am Wochenende bei uns“, beschreibt der Vater das innige Verhältnis, das die Familie auszeichnet.
Ohne Zusammenhalt und Mithilfe aller wäre der Betrieb nicht aufrechtzuerhalten. Denn ein Alpsommer bedeutet harte Arbeit. Jeder packt mit an, wo er kann. So wie die drei Pfister, die hilfreich zur Seite stehen. „Pfister“ ist ein spezieller Vorarlberger Ausdruck für jugendliche Alphelfer, die in den Ferien auf der Alp ihr Taschengeld aufbessern. Auch Hubert Manser, dessen Vater schon auf der Alp war, hat einst als Pfister begonnen. Gelernt hat er den Beruf des Tischlers, den er in den Wintermonaten als Angestellter auch ausübt.
Noch aber heißt es, die letzten Tage dieses Sommers auf 1.500 Meter zu verbringen. Mittlerweile ist es Vormittag geworden und die Luft ist immer noch gleich frisch wie sie am Morgen war. Auch der „Alpchef“ gönnt sich nun eine kleine Verschnaufpause und kann so wenigstens für ein paar Augenblicke die ganze Schönheit der Natur genießen. „Wenn die Menschen und Tiere gesund wieder nach unten kommen, war es ein guter Sommer“, spricht er in den blauen Himmel hinein.