Anna Maierhofer hat sich während ihrer beruflichen Laufbahn eingehend mit den Themen Nachhaltigkeit und Klimawandel befasst. In den letzten Monaten hat sie ihre Erfahrung für das Ländle Marketing genutzt, um sich intensiv mit Landwirtschaft, Lebensmitteln, Klimawandel und den jeweiligen Wechselwirkungen zu beschäftigen.
Du hast dich mit dem Thema Klimawandel in den letzten Jahren bereits intensiv auseinandergesetzt. Nun konnten wir dich gewinnen, uns bei der Aufarbeitung dieses komplexen Themas zu unterstützen. Kannst du uns einen kurzen Überblick über deinen Werdegang geben?
Vielen Dank für die Einladung zu diesem Interview. Der Klimawandel ist zweifellos ein zentrales Thema unserer Zeit, und ich freue mich, meine Expertise einbringen zu können. Mein Werdegang begann mit einem Studium der Forstwirtschaft an der Universität für Bodenkultur, wo ich mich bereits mit dem Einfluss des Klimawandels auf die Forstwirtschaft auseinandersetzte.
Meine Diplomarbeit führte mich zur Forstabteilung der BH Bregenz, bevor ich als Nachhaltigkeitsbeauftragte zu illwerke vkw kam. Dort übernahm ich die Rolle der Produktmanagerin für das „Klimaneutralitätsbündnis 2025“, später umbenannt in „turn to zero“. In dieser Funktion haben wir Unternehmen dabei unterstützt, ihre CO2-Fußabdrücke zu berechnen, Emissionsreduktionen umzusetzen und haben auch Klimaschutzprojekte angeboten. Durch diese Tätigkeit konnte ich umfangreiche Erfahrungen in der praktischen Umsetzung von Klimaschutzmaßnahmen sammeln.
Indem wir bewusst Lebensmittel aus der Region und entsprechend der Saison konsumieren, können wir nicht nur die Umweltbelastung durch den Transport von Lebensmitteln reduzieren, sondern auch die lokale Wirtschaft unterstützen.
Anna Maierhofer
Der Klimawandel ist als Thema allgegenwärtig. Wie beobachtest du die Diskussionen dazu?
In Diskussionen über den Klimawandel begegnen uns vielfältige Herausforderungen. Fake News und veraltete Zahlen erschweren den Dialog, während unterschiedliche Standpunkte oft als unumstößliche Fakten dargestellt werden. Das Thema ist mittlerweile auch emotional sehr aufgeladen, was die Debatte zusätzlich erschwert. Leider bleibt oft wenig Raum für einen konstruktiven Dialog, da jeder auf seinem Standpunkt beharrt. Besonders schade finde ich, dass in der Klimaschutzdebatte vielfach der Fokus ausschließlich auf Verzicht gelegt wird. Dabei bedeuten nicht alle Maßnahmen sofort eine Einschränkung. Sie können uns auch zu alternativen Lebensstilen führen, die eine Bereicherung darstellen. Die Komplexität des Themas spiegelt eben die Komplexität der Welt wider, für die es selten einfache Antworten gibt, die schwarz oder weiß sind.
Was wäre aus deiner Sicht weniger ein Verzicht als eine Bereicherung? Hast du ein Beispiel für uns?
Ich denke hier zum Beispiel an den Vorteil von regionaler und saisonaler Ernährung. Man könnte darin den Verzicht sehen, dass ich nicht das ganze Jahr hindurch jegliches Gemüse und Obst kaufen kann, das ich gerne hätte – z. B. Erdbeeren im Winter. Für mich bedeutet das allerdings, sich wieder mehr mit der Natur und den Jahreszeiten auseinanderzusetzen. Indem wir bewusst Lebensmittel aus der Region und entsprechend der Saison konsumieren, können wir nicht nur die Umweltbelastung durch den Transport von Lebensmitteln reduzieren, sondern auch die lokale Wirtschaft unterstützen. Dies kann dazu führen, dass wir alte Rezepte wieder ausprobieren und neue Geschmäcker kennenlernen. Durch den Bezug zu regionalen Lebensmitteln entdecken wir oft traditionelle Zubereitungsmethoden sowie alte Verfahren des Haltbarmachens wieder. Dies ist nicht nur eine Möglichkeit, den ökologischen Fußabdruck zu verringern, sondern auch eine Chance, die kulinarische Vielfalt zu erkunden und eine engere Verbindung zur lokalen Kultur und Geschichte aufzubauen.
Apropos ökologischer Fußabdruck: In deiner beruflichen Laufbahn hast du dich ausgiebig mit der Berechnung ökologischer Fußabdrücke für Unternehmen beschäftigt. Welche Erfahrungen konntest du dabei sammeln, welchen Herausforderungen bist du begegnet und worin siehst du die spezielle Herausforderung bei Prognosen und Berechnungen in diesem Kontext?
In meiner Arbeit habe ich mich intensiv mit der Berechnung ökologischer Fußabdrücke von Unternehmen beschäftigt, und dabei viele wertvolle Erfahrungen gesammelt. Aus dieser Zeit konnte ich zwei große Erkenntnisse mitnehmen. Erstens, dass CO2 zwar im Allgemeinen eine nützliche Messgröße darstellt, wir jedoch auch andere, umfassendere Kennzahlen benötigen, um alle Umweltauswirkungen zu berücksichtigen. Dadurch entstehen gelegentlich Zielkonflikte zwischen diesen Messgrößen.
Ein anschauliches Beispiel dafür findet man z. B. in den Richtlinien des Ländle Gütesiegels für Äpfel. Es schreibt vor, dass die Fahrgassen der Apfelkulturen begrünt werden und verbietet gleichzeitig den Einsatz von Glyphosat. Dadurch muss öfter gemäht werden, der Traktor legt mehr Strecke zurück und der CO2 Ausstoß steigt. Dieses Beispiel verdeutlicht den Konflikt zwischen Umweltschutz und CO2-Emissionen, der auch bei der Bewertung von Maßnahmen berücksichtigt werden muss.
Meine zweite Erkenntnis war, wie wichtig es ist, sich bei der Reduktion des eigenen Fußabdruckes zunächst mit den „großen Brocken“ zu beschäftigen und diese priorisiert anzugehen, bevor man sich in Details verliert. Zum Beispiel verursacht eine Flugreise von Wien nach Rom so viele Emissionen wie 80 Steaks. Mir geht es nicht darum, Flüge oder Steaks zu bewerten oder zu verbieten, sondern darum ein Gefühl dafür zu vermitteln, welche Faktoren wie stark ins Gewicht fallen und wie man sinnvolle Maßnahmen zur Reduktion seines eigenen Fußabdruckes wählen kann.
In Bezug auf meine Arbeit bei der Ländle Qualitätsprodukte Marketing GmbH war es besonders herausfordernd spezifische Daten für die Landwirtschaft und deren Produkte in Vorarlberg zu finden. Zusätzlich finde ich es immer anspruchsvoll, lebenswichtige Bereiche mit anderen Branchen zu vergleichen. Ich meine damit z. B. den Vergleich von Lebensmitteln mit „Luxusgütern“ wie Flugreisen, Kreuzfahrten oder das Streaming. Während jeder von uns Lebensmittel einkaufen muss, fliegt nicht jeder in den Urlaub, was einen Vergleich aus meiner Sicht nicht immer ganz fair macht.
Von Kritikern der Maßnahmen zum Klimaschutz kommt häufig die Aussage: Wir in Österreich können nicht viel machen, das müssen die großen (USA, China) richten. Wie stehst du dem gegenüber?
Die Aussage, dass Österreich allein wenig gegen den Klimawandel ausrichten kann und die Hauptverantwortung bei den großen Industrienationen wie den USA und China liegt, ist meiner Meinung nach eine Ausrede, um untätig zu bleiben. Zwar tragen diese Länder zweifellos eine große Verantwortung aufgrund ihres hohen CO2-Ausstoßes, aber auch kleinere Länder wie Österreich haben eine moralische und ökologische Verpflichtung, ihren Beitrag zum Klimaschutz zu leisten. Zudem können auch scheinbar kleine Maßnahmen auf lokaler Ebene eine bedeutende Wirkung entfalten, insbesondere, wenn sie als Vorbild für andere dienen und zu einem globalen Umdenken beitragen. Daher ist es wichtig, dass alle Länder, unabhängig von ihrer Größe oder wirtschaftlichen Stärke, ihren Teil zur Bewältigung der Klimakrise beitragen.
Und was kann jeder von uns beitragen?
Auf regionaler Ebene gibt es zahlreiche Möglichkeiten, wie jeder Einzelne seinen Beitrag zum Klimaschutz leisten kann, ohne das Gefühl zu haben, auf vieles verzichten zu müssen. Es geht vielmehr darum, bewusste Entscheidungen zu treffen und umweltfreundliche Alternativen zu wählen, wo immer möglich. Zum Beispiel kann man auf öffentliche Verkehrsmittel wie Zug oder Rad umsteigen anstatt das Auto zu nutzen. Es ist auch nicht zwingend erforderlich, Fleisch komplett aus dem Speiseplan zu streichen. Besser ist es, sich auf qualitativ hochwertige, regionale Fleischprodukte zu konzentrieren, die man mit größerer Wertschätzung genießt.
Ein ebenso wichtiger Aspekt ist die Reduzierung von Lebensmittelverschwendung. Durch achtsames Einkaufen, das Verwerten von Resten und das richtige Lagern sowie Konservieren von Lebensmitteln kann viel Müll vermieden werden. Zudem könnte man vermehrt auf das Mieten, Leihen oder den Kauf von Gebrauchtwaren setzen, anstatt neue Produkte zu kaufen.
Was ist nun dein Fazit, nachdem du dich eingehend mit der Vorarlberger Landwirtschaft und deren Produkten in Bezug auf den Klimawandel auseinandergesetzt hast?
Generell sind regionale und saisonale Lebensmittel die beste Wahl im Sinne des Klimaschutzes. Ein Qualitätslabel wie das Ländle Gütesiegel kann darüber hinaus einen Mehrwert bieten, der über die ohnehin hohen Standards hinausgeht. Der CO2-Fußabdruck kann ein nützliches Maß sein, um ein Gefühl für die Größenordnungen zu bekommen. Jedoch darf nicht vergessen werden, dass die Welt vielfältig ist und in der Landwirtschaft nicht das alleinige Ziel sein kann, das letzte Kilogramm CO2 einzusparen, wenn dies auf Kosten von Qualität, Biodiversität und Tierwohl geschieht.
Zusätzlich zu den direkten Auswirkungen auf das Klima hat die Landwirtschaft in Vorarlberg weitere positive und nicht immer leicht messbare Vorteile. Dazu gehören die Alpwirtschaft sowie die Pflege der Kulturlandschaft, die Vorarlberg als Tourismusland auszeichnen und einen Teil seiner Identität ausmachen.
Noch eine abschließende Frage: Kannst du uns einen kleinen Einblick geben, welche Themen uns im Jahresverlauf beim Schwerpunkt Klimaschutz erwarten?
Für den Schwerpunkt habe ich die Themen rund um den Klimaschutz in drei Hauptblöcke gegliedert: Allgemeines zum Klimawandel, Landwirtschaft und Lebensmittel. Dabei habe ich, wo möglich, auf Zahlen und Fakten aus Vorarlberg oder Österreich zurückgegriffen, um die Inhalte anschaulich und relevant zu gestalten. Das Hauptaugenmerk lag dabei auf Lebensmitteln. Unter anderem habe ich mich mit der Rolle von Fleisch in der Ernährung, dem Vergleich von tierischen und pflanzlichen Produkten und dem Einfluss der Lebensmittelverschwendung auf das Klima beschäftigt. Diese Themen bieten einen umfassenden Einblick in die komplexen Zusammenhänge des Klimawandels und dessen Auswirkungen.
Anna Maierhofer
Ländle Qualitätsprodukte Marketing GmbH
Montfortstrasse 11/7
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E-Mail Anna.Maierhofer@lk-vbg.at