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Jeramis Riezler Im Garten

„Nochgfrogt“ bei Jeremias Riezler

Jeramis Riezler Im Garten

luag sprach mit Jeremias Riezler, Chef des Biohotels Walserstuba im Kleinwalsertal, über die Herkunft von Lebensmitteln und die Chancen von regionalen Produkten in der Gastronomie.

Jeremias Riezler am Gemüse schneiden

Wie ist der Sommer bei euch gelaufen und wie habt ihr die lange Zeit ohne Gäste genutzt? Gab es im Kleinwalsertal mit der deutschen Grenze besondere Herausforderungen?

J. Riezler: Die lange Schließzeit haben wir für diverse Instandhaltungsmaßnahmen und Investitionen genutzt. Durch viel Eigenleistung kam erst gar keine Langeweile auf. Außergewöhnlich war die Weihnachtszeit ohne Gäste zu erleben – eine vollkommen neue Erfahrung für alle Beteiligten! Nicht nur die Kinder haben diese Familienzeit genossen. Wir haben z. B. das Langlaufen für uns entdeckt und unser Tal von einer ganz anderen Seite kennengelernt.

Die Sommersaison hat mit den Öffnungsschritten an Pfingsten gefühlt recht kurzfristig begonnen und schon an Fronleichnam ordentlich Fahrt aufgenommen. Wir hoffen natürlich alle, dass wir – nicht nur im Ländle – von weiteren Einschnitten verschont bleiben. Dank vielen Verhandlungen seitens der Gemeinde Mittelberg, dem Land Vorarlberg und dem Freistaat Bayern im Herbst 2020 ist unser Tal von etwaigen Reisewarnungen oder Grenzkontrollen der deutschen Seite ausgenommen, was der speziellen geographischen Lage geschuldet ist.

Verpflichtende Lebensmittelkennzeichnung in der Gastronomie wäre die größte Chance.

Jeremias Riezler

Du hast 2019 den <<i luag druf>> Zukunftspreis in der Kategorie Gastronomie & Kulinarik gewonnen, da du in deiner Küche großen Wert auf regionale Produkte legst. Wie funktioniert das bei euch?

J. Riezler: Wir arbeiten seit vielen Jahren aus Überzeugung mit regionalen Lebensmitteln. Dabei ist uns die direkte Partnerschaft mit den Landwirten besonders wichtig – „Lebensmittel mit Gesicht“ sind für uns das Größte! Dabei geht es um gegenseitiges Vertrauen und ein ehrliches Miteinander, vergleichbar mit einer Ehe. Viele kleinstrukturierte Landwirte haben für sich entdeckt, wie sie sich vom Massenmarkt abheben können. Dabei werden Nischen mit außergewöhnlichen Lebensmitteln besetzt, die in Vergessenheit geraten sind. Alte Tierrassen, Obst-, Gemüse- und Getreidesorten erleben dadurch eine Renaissance. Die Kleinbauern bewahren damit eine Artenvielfalt, die beinahe der Industrialisierung der Landwirtschaft bzw. dem Kapitalismus zum Opfer gefallen wäre. Und genau diese Landwirte sind unsere Partner, bei denen wir am allerliebsten einkaufen. Um hier ein paar Namen zu nennen: Walser Buura Kleinwalsertal, Dietrich Vorarlberger Kostbarkeiten, der Vetterhof in Lustenau, Innauerhof in Eichenberg, Maruler Biosennerei, Biobauern Sulzberg u. v. m.

Seit 2017 ist unser Hotel bio-zertifiziert, wobei unser Fokus klar weiterhin auf regionalen und saisonalen Bio-Lebensmitteln liegt. Frühkartoffeln aus Ägypten, Erdbeeren aus Spanien oder Birnen aus Argentinien würden wir niemals bestellen. Wir leben mit den Jahreszeiten: Gurken, Tomaten oder Paprika servieren wir nur im Sommer. Im Winter hingegen wird unsere Küche klar von Kraut und Rüben geprägt. Ergänzt durch allerlei selbst Eingemachtes wird die kalte Jahreszeit aber nie langweilig – ganz im Gegenteil!

Wie hat sich dieser Weg entwickelt? Was plant ihr für die Zukunft?

J. Riezler: Auf meinen Wanderjahren gab es einige Schlüsselerlebnisse. In einem Sterne-Restaurant hieß der Hauptlieferant Rungis Express. Beim Verräumen einer Warenlieferung im Wert von ca. 10.000 Euro gab es St. Petersfisch aus Neuseeland, Atlantik-Steinbutt, bretonische Hummer, iranische Flußkrebse, Garnelen aus Vietnam, Thai-Spargel, Kaiserschoten aus Kenia, Mini-Karotten aus Südafrika, allerlei französische Milchprodukte, Trüffel und vieles mehr. Lebensmittel aus der landwirtschaftlich geprägten Umgebung waren hingegen nicht exklusiv genug. Statt Bergkäse oder Romadur verkochten wir Unmengen an Parmesan und Taleggio. Irgendwann ging mir dann ein Licht auf, das dauerte aber noch ein Weilchen. In meiner ersten Saison im elterlichen Betrieb, sprich meiner Sturm- und Drangzeit, versuchte ich mein Glück in der Haubenküche ebenso mit Steinbutt, Jakobsmuscheln und dem Ausklammern der Jahreszeiten. Gott sei Dank haben mich unsere Gäste aber in der ersten Saison direkt abgestraft und dafür gesorgt, dass diese Küchenlinie ein absoluter Ladenhüter wurde.

So begann bereits 2006 das große Umdenken. Im Zuge dessen habe ich auch gleich dem, nicht nur in unserem Hause etablierten, südamerikanischen Rindfleisch „den Garaus gemacht“. Seit 2007 sind wir „clean“, das heißt, wir führen nur noch ehrliches Fleisch aus der Heimat. Den Walser Buura sei an dieser Stelle gedankt: Sie versorgen uns seit 15 Jahren zu hundert Prozent mit einheimischem Kalbs- und Rindfleisch. Die Walser Jäger liefern uns genau im gleichen Stil Wildbret von Hirsch, Reh, Gams und Steinbock.

Grüne Bergkäsesuppe

Das erste wichtige Lebensmittel aus rein biologischer Produktion waren aber die Eier. Kein Billig-Ei hat den Namen Lebensmittel verdient – sie sind mir persönlich ein absoluter Graus! Wir beziehen unsere Bio-Eier seit langem aus Überzeugung direkt vom Biohof Epp im Allgäu, wo ausschließlich mit hofeigenem Futter im Kreislauf der Natur gewirtschaftet wird. Inzwischen hat hier der Generationen-Wechsel stattgefunden: die Jungbauern Markus und Johanna stellen ab sofort auf „Bruder-Hahn“-Produktion um – wieder ein Meilenstein!

Mit der Geburt unserer Tochter Klara hat sich unser Bewusstsein weiter geschärft. Die heile Welt im Nahbereich meiner Heimat und die Lügen der Werbeagenturen haben mich sehr lange im Glauben gelassen, dass es die Landwirtschaft allgemein mit der Natur gut meint. Dem ist aber leider weit gefehlt: Monokulturen, Glyphosat, Neonicotinoide und Kunstdünger, um nur einige Stichworte zu nennen, werden weltweit nach wie vor in Unmengen eingesetzt, was auf Dauer nicht gut gehen kann. Auf die Frage, was wir dem Planeten Erde angetan haben, möchte ich ehrlichen Gewissens antworten können, dass wir als Familienbetrieb für Mutter Erde unser Bestes gegeben haben – frei nach dem Motto „i luag druf – uf alls mitanand!“

Unser Plan für die Zukunft ist leicht erklärt: Es geht sprichwörtlich ums Glück und die Zukunft aller Beteiligten: Familie, Betrieb, Mitarbeiter, Gäste, Lieferanten, Handwerker, Geschäftspartner, der Umwelt und der Natur. Ein faires und glückliches Miteinander für alle!

Jeremias Riezler und Betti

Nicht nur in Bezug auf die internationalen Corona-Maßnahmen stellt sich für das Kleinwalsertal eine Sondersituation dar, auch der Bezug regionaler Lebensmittel bzw. deren Transport zu euch ist dadurch nicht immer einfach. Was sind die größten Herausforderungen und wie meisterst du diese?

J. Riezler: Die Logistik ist einer der Knackpunkte. Das Kleinwalsertal wird aber seit zwei Jahren unter anderem dreimal wöchentlich von der Firma Schluge angefahren, was den Transport zu uns sehr vereinfacht hat. Der wirkliche Mehraufwand besteht aus den vielen persönlichen Gesprächen mit den Landwirten, die ich beim Bezug von anonymen Nahrungsmitteln im Großhandel nicht hätte. Aber gerade dieser persönliche Kontakt macht es im positiven Sinne aus: Ich weiß, wie mein Gegenüber tickt, ich äußere meine Wünsche und werde oftmals mit neuen, außergewöhnlichen Lebensmitteln überrascht – so entsteht Inspiration auf beiden Seiten.

Seit kurzem sitzt du auch im Aufsichtsrat der Ländle Qualitätsprodukte Marketing GmbH, die durch das Ländle Gütesiegel regionale Qualitätsprodukte für die Konsumenten sichtbar macht. Regionale Produkte liegen derzeit im Trend, wo siehst du hier noch die größten Chancen?

J. Riezler: Die größte Chance sehe ich in einer verpflichtenden Lebensmittelkennzeichnung in der Gastronomie, die behördlich überprüft wird. In der Schweiz wird seit über 20 Jahren die Herkunft des Fleisches auf Speisekarten ausgelobt. Wer bestellt sich gerne eine Martini-Gans, wenn er sofort sieht, dass sie aus Polen kommt? Wer bestellt sich an einem Hendlgrill ein Brathähnchen, wenn sofort ersichtlich ist, dass das Tier aus Übersee kommt? Wer beißt gerne in eine Bratwurst, die Fleisch aus drei verschiedenen Kontinenten enthält? Nirgendwo werden so viele „anonyme“ Nahrungsmittel konsumiert, wie in Gastronomie und Pseudo-Gastronomie. Ich träume schon lange von mehr Regionalität – auch im Imbiss-Bereich, also beispielsweise von einem Kalbfleisch-Döner „Made in Vorarlberg“ oder die Ländle Kalbsbratwurst bei allen Würstelständen, damit der Konsument bewusst wählen kann und sich hoffentlich für Ländle Qualität entscheidet.

Biohotel Walserstuba

Jeremias Riezler
6991 Riezlern
Eggstraße 2
T +43 5517 53460
info@walserstuba.at

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