Nicole Steurer und Matthias Giselbrecht haben sich für das Alpleben entschieden. Das junge Paar erzeugt Käse, füttert Ländle Alpschweine und bewirtet Gäste. Und sie genießen den Ausblick, den die Alpe Stongen in Bezau zu bieten hat.
Allein schon der Platz, auf dem die Alpe Stongen steht, strahlt etwas Mystisches aus. Denn am Fuße der zum Gemeindegebiet Bezau gehörenden Alpe erstreckt sich in einem Talkessel eine Moorlandschaft. Kein Wunder, dass sich um die kleine Hütte sogar eine Sagengeschichte rankt, die sich vor vielen Jahrhunderten abgespielt haben soll. Im Jahr 1450 wurde die Alp erstmals historisch erwähnt. Doch das ist Vergangenheit.
Wie ein sanfter grüner Teppich breitet sich im Sommer das Gras aus. „Besonders schön ist es im Herbst, wenn sich alles verfärbt und das Moor zu leuchten beginnt“, schwärmt Dietmar, der Vater von Nicole. So wie er helfen auch Nicoles Mama und die Eltern von Matthias tatkräftig mit, wenn Unterstützung gefragt ist.
Zwei junge Alpgesichter
Die angenehme Frische, die hier auf 1.380 Metern herrscht, spiegelt sich in den jungen Gesichtern des Paares wider. Dass eine 25-Jährige und ein 27-Jähriger den Sommer gemeinsam auf der Alpe verbringen, böte idealen Stoff für einen Heimatroman à la Ludwig Ganghofer. Doch das wäre nicht mehr als verklärte Romantik. „Viele setzen das Alpleben mit Idylle gleich“, weiß Nicole Steurer zu berichten. „Dabei stecken viel harte Arbeit und Handwerk dahinter.“ Der Tag beginnt meist um halb sechs und endet oft erst nach 22 Uhr.
Herzstück des Gebäudes ist die Sennerei, in der der gelernte Zimmermann Matthias Giselbrecht täglich zwei bis drei Laib Käse produziert. Die Milch wird direkt von der Melkmaschine über Leitungen in den Sennkessel weitergeleitet. Die Molke – oftmals als „Abfallprodukt“ bei der Käseerzeugung betrachtet – wird an die 15 Alpschweine verfüttert. Die stets hungrigen Borstentiere lieben die eiweißreiche und nahrhafte Flüssigkeit über alles. Gierig stecken sie ihre Rüssel in die Tränke, als der Senner diese mit der Molke füllt. Schon bald ist die Tränke leer, doch Nachschub kommt sofort.
Es fehlt uns hier oben an nichts
Matthias Giselbrecht & Nicole Steurer
Ein schönes Schweineleben
Die Schweine kamen als Ferkel Ende Mai direkt auf die Alp. Dort haben sie ein Leben, das leider nur wenigen ihrer Artgenossen vergönnt ist. Sie haben einen geräumigen Stall mit viel Einstreu und Beschäftigungsmöglichkeiten. Zudem steht ihnen ein eigener Auslauf zur Verfügung. „Das Wühlen im Boden lieben sie besonders“, bemerkt Matthias Giselbrecht. Beigebracht hat ihm das Käsen ein erfahrener Senner auf der Alpe Hintere Niedere, wo das Alpleben von Matthias und Nicole vor vier Jahren begann. „Das waren für mich richtig gute und wertvolle Erfahrungen des Älpler- und Sennerlebens.“
Die kleine kompakte Hütte bietet zwar nicht allzu viel Platz, dennoch ist sie funktional eingerichtet. Nicole achtet auf kleine liebevolle Details und ist mit viel Empathie bei der Sache, wenn es um die Tiere geht. Neben 43 Milchkühen und 15 Ländle Alpschweinen gehören noch drei Ziegen, zwei Ponys und mehrere Hühner dazu. „Es fehlt uns hier oben an nichts“, ist sich das Paar einig. Auch Pfister Johannes gehört zum Team. Es gibt Strom, Dusche, WC, eine Stube und zwei Schlafräume, aber keinen Fernseher. Auch das Internet funktioniert nur zeitweise. Um die modernen Kommunikationsmittel nutzen zu können, steigt Nicole schon mal auf den angrenzenden Hügel. „Dort ist der Empfang besser“, sagt die angehende Wirtschaftsstudentin, die auf Instagram (alpe_stongen) aktiv ist.
Überhaupt ist die 25-jährige Wälderin sehr kommunikativ. Deshalb freut sie sich auch, wenn Gäste kommen, die sie bewirten kann. An schönen Tagen sind es hauptsächlich die Wanderer und Wochenendausflügler, die von der Mittel- bzw. der Bergstation der Bergbahnen Bezau zur Alp kommen. Aber auch Mountainbiker schätzen die Gastfreundlichkeit sehr. „Fast alles ist selbstgemacht“, bekräftigt die junge Älplerin. Wenn es die Zeit zulässt, sucht sie im Moorgebiet nach Pflanzen und Kräutern. „Hier wachsen Blumen für mein Kräu-tersalz. Auch die Schnittlauchblume gedeiht hier wunderbar.“ Mit dem Schnittlauch würzt sie den selbstgemachten Ziegenkäse.
„Hock“ mit Nachbarn
Auch oben in den Bergen gibt es Nachbarschaft. Und zwar zu den anderen Älplern, mit denen man sich ab und zu auf einen Hock trifft. Schließlich haben alle hier oben dieselben Interessen. „Ich denke, jedem von uns ergeht es gleich. Im Frühjahr freut man sich, wenn man auf die Alp darf, im Herbst freut man sich nach viel getaner Arbeit wieder auf zu Hause“, bringt es Matthias auf den Punkt.
Für die Ländle Alpschweine endet spätestens dann ihr Leben. Sie kommen direkt von der Alp in den Schlachthof. Ihr Fleisch kann ruhigen Gewissens genossen werden. Nicht nur, weil es sich durch eine besondere Qualität auszeichnet, sondern auch, weil die Tiere ein schönes Dasein hatten – so wie es eigentlich sein sollte.