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Portrait Hannes Royer Land Schafft Leben

Transparenz fehlt auf den Tellern Österreichs oft komplett

Portrait Hannes Royer Land Schafft Leben

Mit der Reihe „nochgfrogt“ lässt „luag“ Personen zu Wort kommen, die beim Thema „regionale Lebensmittel“ eine zentrale Rolle spielen. Hannes Royer aus Schladming vom Verein „Land schafft Leben“ sprach mit uns über Lebensmittelkennzeichnung im Handel und in der Gastronomie.

Herr Royer, Sie sind Bergbauer und haben 2014 den Verein „Land schafft Leben“ gegründet. Was hat Sie dazu bewogen und was wollen Sie erreichen?

Hannes Royer: Als Bergbauer auf einem 800 Jahre alten Hof in Schladming hat sich zu einem ganz bestimmten Zeitpunkt in meinem Leben die Frage gestellt, ob ich guten Gewissens meiner Tochter anraten kann, unseren Hof weiterzuführen. Gerade meine Erfahrung nach der Gründung von Heimatgold – einem Bauernladen mit regionalen Spezialitäten – hat mir gezeigt, dass viele ihre Kaufentscheidung hauptsächlich über den Preis treffen. In Österreich können wir aber praktisch nirgendwo in der landwirtschaftlichen Produktion den Kampf um den niedrigsten Preis führen. Das geht sich von der Topografie, den Böden, den Produktions- und Sozialstandards her einfach nicht aus. Was liegt da näher, als genau darauf aufmerksam zu machen, was wir an unserer Landwirtschaft und Lebensmittelproduktion haben und was wir alle mit ihr verlieren würden? Um dieses Bewusstsein für den Wert der heimischen Lebensmittelproduktion zu schaffen, habe ich 2014 gemeinsam mit Maria Fanninger und Mario Hütter „Land schafft Leben“ gegründet und im April 2016 sind wir damit an die Öffentlichkeit getreten.

Wiener Schnitzel mit Kartoffel-Wedges Bild: Gettyimages

Die Herkunft der Lebensmittel und die Regionalität haben seit dem Beginn der Pandemie an Stellenwert gewonnen. Wie sehen Sie diese Entwicklung?

Hannes Royer: Dass Regionalität gerade im Trend liegt, freut mich natürlich. Corona zeigt die Verwundbarkeit von Ländern, die die Produktion oder Teile der Produktionskette ins billiger produzierende Ausland verlagert haben. Die Selbstversorgung etwa bei Lebensmitteln hat durch die Krise einen ganz neuen Stellenwert erhalten. Das zeigt, wie unentbehrlich unsere bäuerlichen Familienbetriebe sind. Milch, Fleisch, Eier, Brot, Nudeln, Obst und Gemüse – unsere Regale waren auch während des Lockdowns voll mit diesen Grundnahrungsmitteln. Gleichzeitig haben sich gerade beim Thema Erntehelferinnen und Erntehelfer oder Schlachthofmitarbeiterinnen und Schlachthofmitarbeiter die nach wie vor bestehenden Abhängigkeiten klar gezeigt. Krisen bieten die Chance, die Verletzlichkeit von Versorgungssystemen zu erkennen. Corona macht klar: Wir müssen neue Wege finden, um die österreichische Selbstversorgung zu verbessern und zu erhöhen – da, wo es sinnvoll ist.

Konsumenten müssen erkennen können, woher die Lebensmittel stammen, um sich für heimische Produkte bewusst zu entscheiden. Welche Entwicklungsschritte sehen Sie hier noch beim privaten Einkauf (LEH etc.) als wichtig an? (Stichwort: verarbeitete Produkte) Welche Rolle spielt hier aus Ihrer Sicht der Handel?

Hannes Royer: Der Lebensmitteleinzelhandel will in erster Linie verkaufen. Ich verteidige den Handel nicht, aber es sind immer noch wir Konsumentinnen und Konsumenten, die schlussendlich zu den Produkten greifen. Es wird nur das im Regal nachgeschlichtet, was auch rausgenommen wurde. Das heißt für mich, dass die Konsumentinnen und Konsumenten es in der Hand haben. Beim Griff zum billigsten Produkt muss uns klar sein, dass es kaum Tierwohl, Nachhaltigkeit und Regionalität beinhaltet. Mein Team und ich sehen es als unsere Aufgabe, das Bewusstsein für den Wert unserer Lebensmittel zu erhöhen – und zwar bei allen Beteiligten.

Factbox zur Lebensmittelkennzeichnung in Österreich - Fleisch, Eier und Obst

Wie sieht es mit der Herkunftskennzeichnung in der Gastronomie aus?

Hannes Royer: Für uns Konsumentinnen und Konsumenten ist derzeit nicht möglich, zu erkennen, woher die Zutaten der Menüs in Gasthäusern oder in der Gemeinschaftsverpflegung wie Kantinen, Mensen oder auch Spitälern kommen. Jetzt ist für die Gastronomie und Hotellerie eine einmalige Gelegenheit, auf regionale Herkunft von Lebensmitteln zu setzen. Regionalität bedeutet für mich ganz Österreich. Insbesondere in der Gastronomie wird dieser Begriff meist eng gefasst: Regionalität beginnt oft gedanklich im eigenen Dorf und hört im Nachbarort schon wieder auf. Die Konsequenz aus dieser engen Definition von Regionalität kann nicht sein, dass wir sofort die Tür zum Weltmarkt aufmachen. Wir sollten davon wegkommen, den Begriff „regional“ nur mit dem nächstgelegenen Landwirtschaftsbetrieb als Lieferanten in Verbindung zu bringen. Die Gäste werden ein entsprechendes Angebot auf Speisekarten mit Sicherheit dankend annehmen, denn sie wollen heute wissen, ob ihr Menü wirklich ihren sozialen und ökologischen Standards entspricht.

Welche Erweiterungen bezüglich Herkunftskennzeichnung wünschen Sie sich?

Hannes Royer: Eine umfassende Kennzeichnung nach Herkunftsland und Haltung, und zwar vom Anbau bis zum Teller, ist ein längst überfälliger Richtungswechsel zu mehr Lebensmittel-Transparenz. Für mich ist es völlig absurd, dass wir in einer sonst so transparenten Welt kaum wissen, woher unsere Lebensmittel stammen. Uns bleibt nur, nach bestem Wissen und Gewissen einzukaufen. Das ist aber zu wenig, denn so werden Konsumentinnen und Konsumenten vollkommen im Dunkeln gelassen. Wir brauchen deshalb eine umfassende Kennzeichnung nach Herkunftsland und Haltung – sei es beim Menü im Restaurant oder bei verarbeiteten Produkten im Supermarkt.

Factbox zur Lebensmittelkennzeichnung in Österreich - Gastronomie und Fertiggerichte

Glauben Sie, Konsumenten würden bei der Außer-Haus-Verpflegung dasselbe bestellen, wenn sie wüssten, was drin ist? Falls nein, warum nicht?

Hannes Royer: Auf jeden Fall können sie sich mit einer entsprechenden Deklarierung bewusst für oder gegen ein Produkt entscheiden – und das ist das Wesentliche. Es geht uns vor allem um die Transparenz, die derzeit auf den Tellern Österreichs komplett fehlt. Bewusster Konsum ist nur möglich, wenn man informiert ist. Genau da setzen wir als „Land schafft Leben“ an und bieten eine umfassende Informationsbasis.

Haben Sie einen Tipp für unsere Leser, wie sie Einfluss auf möglichst große Teilnahme von Gastronomiebetrieben an der freiwilligen Herkunftskennzeichnung nehmen können?

Hannes Royer: Fragen, fragen, fragen! Im Gasthaus oder auch in Kantinen zeige ich mit aktivem Nachfragen dem arbeitenden Personal immer wieder, dass es mir wichtig ist, woher das Schnitzel auf meinem Teller kommt. Da habe ich auch schon einige Male erstaunliche Reaktionen erhalten. Entspricht das Angebot nicht meinen Vorstellungen, dann sage ich auch, dass ich beim nächsten Mal woanders hingehe und ich ihr Menüangebot nicht befürworte.

Letztlich hat es jede und jeder von uns selbst in der Hand, darüber zu entscheiden, welche Form der Lebensmittelproduktion wir unterstützen (wollen) und welche Auswirkungen auf Arbeitsbedingungen, Qualität, Umwelt und Tierwohl wir dadurch in Kauf nehmen und akzeptieren. Durch unsere bewussten Handlungen und Entscheidungen können wir aktiv die Zukunft mitgestalten. Mit jeder Konsum-entscheidung bestimmen wir mit, welches Gericht auf der Speisekarte steht.

Land schafft Leben

Hannes Royer
8970 Schladming
Erzherzog-Johann-Str. 248b
T +43 3687 24 008

1010 Wien
Schwarzenbergstraße 8/1
T +43 1 89 06 458

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www.landschaftleben.at

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