Oswin Kieber ist Schafzüchter aus Leidenschaft. Der Montafoner hält rund 15 Mutterschafe, zwölf Lämmer und einen Zuchtbock. Er besucht seine Tiere regelmäßig auf der Alp – und hofft, dass sie der Wolf nicht findet.
Manchmal muss Oswin Kieber sich ganz schön auf die Suche machen, um seine Schafe zu finden. Knapp über zwei Dutzend Muttertiere und Lämmer sind es, die über den Sommer auf der Alpe Gibau (1.863 Meter) bis hoch zum Tavamunter Augstenberg (2.490 Meter) anzutreffen sind.

Die Alpe Gibau liegt auf den Nordhängen hoch über dem Valschavieltal, am Eingang zur Montafoner Gemeinde Gaschurn. „Es ist eine wunderschöne Alpe und sie eignet sich ideal für Schafe“, kommt der 70-Jährige ins Schwärmen. So wie er denken viele andere Schafhalter:innen auch. Denn insgesamt sind es rund 300 der wolligen Tiere, die sich auf den sich weit ausbreitenden Weidehängen hier oben tummeln. Jede Herde scheint dabei ihre eigenen Wege zu gehen. „Meine waren heute beispielsweise ziemlich abseits von den anderen“, erzählt der Schrunser nach einem anstrengenden Aufstieg, der rund drei Stunden gedauert hat. Ein Blick auf die umliegende Bergwelt beweist, wie weitläufig es hier oben ist. Das scheint dann die berühmte Suche nach der Nadel im Heuhaufen zu werden. Nicht ganz. Denn Kieber hat zwei „Alpha-Damen“, wie er die Mutterschafe nennt, mit einem GPS-Sender ausgestattet. „Es sind zwei ältere Damen, die sagen den anderen, wie es hier oben läuft“, erzählt er mit einem Schuss Humor. Und da Schafe Herdentiere sind, folgen sie den „Alphas“ brav. Dadurch kann er sie genau orten. Wenn Oswin Kieber von seinen Schafen erzählt, spürt man, dass darin sein ganzes Herzblut steckt. Sie sind sein großes Hobby. Auch wenn der ehemalige selbstständige Metzgermeister schon längst in Rente ist, könnte er sich einen Ruhestand nicht vorstellen. „Bei einem Bauern gibt es keine Pension. Man bleibt es, solange man gesund ist und lebt“, hofft er, dass dies noch lange der Fall sein wird. Was die Landwirtschaft betrifft, war Oswin Kieber ein Spätzünder. Erst mit 50 erbte er den Hof seines Vaters. Er selbst bezeichnet sich als Land- und Bergbauer. Der Schrunser zeigt auf die Hänge, die sich gleich neben seinem Haus steil emporheben. „Das alles muss ich bewirtschaften“, scheut der Vater dreier erwachsener Töchter auch im höheren Alter nicht die Herausforderung. Er ist vielmehr überzeugt, dass ihn die tägliche Arbeit inmitten der Natur fit hält.
Bei einem Bauern gibt es keine Pension.
Man bleibt es, solange man gesund ist und lebt.
Kieber Oswin
Wegen Wolf umgesiedelt
Früher hielt er seine Schafe im Gauertal. Der Aufstieg in dieses Hochgebirgstal, der zu Fuß erfolgte, war mühsam und dauerte Stunden. Das hielt Oswin Kieber jedoch nicht davon ab, regelmäßig nach seinen Tieren zu schauen. Doch als er gleich dreimal Schafe durch Wolfrisse verlor, beschloss er, seine Tiere umzusiedeln. „Solche Erlebnisse hinterlassen Spuren. Es traumatisiert sowohl die überlebenden Schafe als auch den Menschen.“ Auch jetzt geht er nicht davon aus, dass seine Herde sicher ist. „Der Wolf kann jederzeit wieder attackieren.“ Einmal habe er sogar einen gesichtet. „Er war nur 500 Meter vom Stall entfernt.“
Ans Aufgeben hat er bisher dennoch nicht gedacht. „Finanziell rentiert sich das, was ich mache, sicher nicht, aber andere Hobbys kosten auch Geld.“ Im Winter sind die Schafe nun in seiner „Ranch“ am Briferweg 11 in Schruns untergebracht. Neben Schafen hält er auch noch ein paar Alpschweine. Ihm geht es auch darum, gute und regionale Produkte zu erzeugen. Neben Frischfleisch bietet er auch Wurstwaren, Speck und Alpkäse an. Gleich neben seinem Haus befindet sich ein Schuppen, den Kieber in einen gekühlten Lagerraum umgewandelt hat. Die Produktion ist im Untergeschoss des Hauses untergebracht. Hier macht er sich ans Werk und veredelt die Produkte, die dann unter anderem auf dem Wochenmarkt in Schruns gekauft werden können.

Betrieb wird laufend kontrolliert
Sämtliche Lämmer werden nach den strengen Kriterien des Ländle Gütesiegels aufgezogen. Das heißt, dass von der Geburt über die Aufzucht bis hin zur Schlachtung und Verkauf der Produkte eine lückenlose Dokumentation stattfindet. Auch Kiebers kleiner Betrieb wird immer wieder kontrolliert. „Ich finde das vollkommen in Ordnung, weil ich ja selbst will, dass alles passt.“ Schafe gehören neben den Ziegen zu den ältesten Nutztieren der Menschheit.
Für den hochalpinen Raum eignen sich ganz bestimmte Rassen. „Vorwiegend habe ich das Weiße Alpenschaf sowie das schwarzbraune Juraschaf.“ Nach rund sechs Monaten endet jedoch die Lebenszeit der Lämmer, sofern sie nicht zur Nachzucht behalten werden. Ihr Schlachtgewicht sollte zwischen 14 und 24 Kilogramm betragen. Ländle Lamm hat mittlerweile ganzjährig Einzug in die Supermarktregale gefunden. So zählt TANN, der Fleischverarbeiter der Handelskette SPAR, zu den Hauptabnehmern von Oswin Kieber. Lammfleisch gilt als wertvolles Lebensmittel, das viele Vitamine, Mineralstoffe und Eiweiß enthält. Der Pro-Kopf-Verbrauch in Österreich liegt allerdings nur bei 600 Gramm pro Jahr. Potenzial nach oben ist also gegeben.
Für den Schrunser Schafzüchter geht es aber ohnehin nicht um die Masse. Vielmehr ist er mit seinen Schafen 365 Tage im Jahr beschäftigt. „Ich mache alles alleine“, geht er dabei ganz in seiner Aufgabe auf. Und während die Feriengäste von nebenan die herrliche Landschaft und Aktivitäten im Montafon genießen, ist Oswin Kieber wieder einmal unterwegs zu seinen Tieren auf der Alp. Wo sie heute wohl sind? Hoffentlich weiß es der Wolf nicht.
Veröffentlicht am 4.11.2025









