Der Betrieb
2016 hat die Familie Sieber aus Bregenz-Fluh entschieden, ihren Hof gänzlich auf biologische Landwirtschaft umzustellen. Diese Entscheidung hat sich bislang als richtig erwiesen. Durch den Einstieg in die Direktvermarktung können auch die Kälber am Hof bleiben.
Wie viele landwirtschaftliche Anwesen hat auch der Sieberhof in Bregenz-Fluh eine lange Geschichte. Seit 1937 wird der Hof bewirtschaftet und mit dem 25-jährigen Felix Sieber ist bereits die vierte Generation voll eingebunden. Der eigentliche Hofbesitzer Norbert Sieber lässt, wegen seiner Tätigkeit als Nationalratsabgeordneter, bewusst den Nachwuchs ran. Unter der Woche kümmert sich hauptsächlich der Junior gemeinsam mit seiner Mutter Sibylle um die rund hundert Rinder, wovon 55 Kühe sind. Neu ist, dass seit 2018 gänzlich neue Töne gespielt werden. Für eine musikalische Familie mag das nicht ungewöhnlich sein, so bläst auch Jungbauer Felix in der örtlichen Kapelle die Tuba und seine Freundin Anna-Lena das Horn. Doch auch für die Tiere spielt die Musik seit der Umstellung anders. „Wir haben uns entschieden, keine Kälber mehr wegzugeben. Sie werden bei uns aufgezogen und wir sind gerade dabei auf eine Zweinutzungsrasse umzustellen", erklärt Felix. Ungefähr 25 bis 30 werden als Bio-Weiderind (mit Ländle Bio-Gütesiegel) großgezogen, die anderen Kälber werden nach dem 3G-Prinzip (geboren, gehalten, geschlachtet in Vorarlberg) vermarktet.
Bilder haben aufgerüttelt.
Die schrecklichen Bilder von Kälbertransporten bis in den Nahen Osten haben die Familie wie viele Andere aufgerüttelt. „Als Bauern hat uns das sehr getroffen.“ Leider sind viele Betriebe aus wirtschaftlichen Überlegungen dazu gezwungen, Kälber abzugeben. Auf Umwegen an industrielle Mastbetriebe. Was mit dem Kalb dann passiert, ist für den Landwirt nicht mehr nachvollziehbar. „Keiner will, dass den Tieren Leid zugefügt wird und sie eine Odyssee durchmachen müssen“, spricht es Felix Sieber offen aus. Ein Umdenken ist überall spürbar, auch wenn die Realisierung nicht immer einfach ist. Rinder werden normalerweise für die Fleischproduktion bzw. Milchleistung gezüchtet. Das heißt, sie weisen entsprechende Eigenschaften auf. Ein Ausweg liegt in der Doppelnutzung. Je nach Geschlecht oder auch Beschaffenheit kommt es dann für die Milch- oder Fleischlieferung infrage. Die Tiere werden selektiert. Deshalb wird auch jedes Kalb, das am Biohof Sieber auf die Welt kommt, genau unter die Lupe genommen. Auch die Besamung erfolgt nicht künstlich, sondern durch Stier Austin (Blonde d’Aquitaine).
Robuste Zweinutzungsrassen
Generell sind Zweinutzungsrassen sehr robust, weil sie nicht auf spezielle Eigenschaften gezüchtet werden. Meist handelt es sich dabei um alte Landrassen, weil es früher in der Landwirtschaft üblich war, für die eigene Versorgung eine breite Nutzung anzustreben. Als typische Zweinutzungsrasse hat sich das Fleckvieh etabliert. Die Rasse geht auf Hausrinder im Simmental im Berner Oberland zurück, das bereits im Mittelalter für seine großwüchsigen und gescheckten Rinder bekannt war. Zum Bestand am Sieberhof gehören derzeit Braunvieh, Fleckvieh und Holstein, da die Umstellung langsam vor sich geht. Egal, um welches Rind es sich handelt, bei der Familie Sieber freuen sich alle über Auslauf und beste Behandlung. Die Jungrinder verbringen den Sommer über auf den saftigen Wiesen des Klosters Mehrerau in Bregenz. Im Winter wird mit Heu, Silage und Mais aus eigenem Anbau gefüttert. Im Jahr 2012 fiel das Wirtschaftsgebäude einem Brand zum Opfer. Heute sind die Rinder in einem hochmodernen, tiergerechten Stall aus Holz untergebracht. Auch wenn die Bio-Milch, die an die Vorarlberg Milch geliefert wird, das Hauptstandbein ist, bietet die Bio-Fleischerzeugung eine zusätzliche und ausbaufähige Alternative. Diese Schiene wird von der Familie selbst vermarktet. Die Fleischpakete gibt es ab Hof bzw. können vorbestellt werden, wenn eine Schlachtung bevorsteht. Diese erfolgt durch die Bio-Metzgerei Mennel in Möggers.
Der Irrglaube vom weißen Kalbfleisch
Leider ist noch immer der Irrglaube vertreten, dass Kalbfleisch weiß sein muss. Die helle Farbe des Kalbfleisches ist mit fortschreitendem Alter des Kalbes nur durch Entzug von Rohfaser und einer einseitigen Fütterung zu erreichen. Durch die Mangelfütterung entsteht ein Eisenmangel, der erwünscht ist. „Weißmast“ nennt sich dies in der Fachsprache. In einer Reportage hat der deutsche Rundfunksender NDR die Schweizer Tierärztin Corinne Bähler begleitet, die regelmäßig Mägen von geschlachteten Kälbern untersucht. Ihr Fazit: Viele Tiere, die so gehalten werden, leiden an Magengeschwüren und Schmerzen. Eine Untersuchung aus Österreich geht davon aus, dass im Schnitt 80 Prozent der Kälber in der EU-Weißmast solche Geschwüre haben. Die Produzenten argumentieren dies mit dem Wunsch der Konsumenten nach weißem Kalbfleisch. Tränkung mit Magermilch- oder Molkepulver angerührt mit Wasser sind in der Bio-Kälbermast und damit auch am Biohof Sieber verboten.
„Bei uns ist das Kalbfleisch rot“
Dass es auch anders geht, beweist der Biohof von Norbert Sieber in Bregenz-Fluh. „Bei uns bekommen Kälber artgerecht auch Heu zu fressen sowie Stroh als Einstreu und dadurch ist das Kalbfleisch rot“, bekräftigt Sohn Felix. Die Hofbetreiber sind überzeugt, dass sich der ehrliche, rückverfolgbare Bio-Weg mit der Eigenvermarktung bezahlt macht. Die Umstellung macht unabhängiger. Denn während die internationalen Großmärkte den Produzenten preislich ordentlich den Marsch blasen, bläst man bei den Siebers lieber in die Tuba. Oder ins Horn.
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ab Hof, Fleischpakete nach telefonischer Bestellung