Von Rindern und tänzelnden Schuhen
Am Martehof in Röthis zieht sich alles wie ein roter Faden durch. „Selfmademan“ Karlheinz Marte offenbart damit seine ganze Leidenschaft für die Landwirtschaft. Speziell für die Mastrinder-Zucht, die er seit 1990 betreibt.
Ein altes Paar Schuhe tänzelt in der sanften Brise des Windes hin und her. Sie hängen an einer Schnur, die an einer ausgedienten Heustange befestigt ist. „Das sind meine alten Trachtenschuhe aus den 80ern“, deutet Karlheinz Marte auf sie. Bis heute ist er im Trachtenverein aktiv. Wenn auch mit neuen Schuhen. Im Garten des Drei-Generationen-Hauses, das in der Nähe des Bahnhofes Sulz-Röthis direkt an der Treietstraße steht, sind die verschiedensten Gegenstände mit bunten Blumen geschmückt und bewusst angeordnet. „Alles, was hier steht, hat seine spezielle Bedeutung“, ergänzt der bald 60-jährige „Hofherr“. Hier draußen wird die Handschrift von Karlheinz Martes gleichaltriger Frau bis in die kleinste Ecke sichtbar. Doch Annemarie Marte ist auch so etwas wie die gute Fee der Familie, wie es Schwiegertochter Franziska (32) ausdrückt. Man könnte auch sagen, dass sie die „Grande Dame“ am Martehof ist, die für eine „Rundumbetreuung“ der Familie sorgt.
Einen Lebenstraum erfüllt
Das Ehepaar erfüllte sich einen Lebenstraum, als er 1990 den 1965 erbauten typischen Aussiedlerhof erwarb. „Charlie“, wie der Seniorchef genannt wird, legte in all den Jahren fleißig Hand an und machte ihn zu dem, was er heute ist. Ein moderner Betrieb mit tierwohlgerechten Ställen, in denen durchschnittlich 20 Mutterkühe, 15 Kälber und 90 Mastrinder gehalten werden. „Es war einfach eine Leidenschaft von mir, gepaart mit ganz viel Idealismus“, erklärt der ursprünglich aus Weiler stammende Landwirt, warum er seinen Beruf als Metallverarbeiter und Anlagenbauer gegen ein Hofleben eintauschte. Seit 2005 ist er Vollerwerbs-Bauer. „Selfmademan“ Karlheinz schaut, dass möglichst alles vom eigenen Hof stammt. Das trifft vor allem auf das Futter für die Tiere zu, das zu 95 Prozent aus Heu, Gras- und Mais-Silagen besteht. Nur die Minerale, das Salz und etwas Ausgleichsfutter werden zugekauft. Im Sommer wird gealpt.
Ein Pionier der Regionalität
Von Beginn an – anfangs noch in kleinerem Ausmaß – setzte Marte auf Rindermast, was im „Milchvieh-Land“ Vorarlberg alles andere als typisch war. „Ich wollte etwas produzieren, was in Vorarlberg Mangelware ist und auch im Land bleibt.“ Zudem ist das mit dem Ländle Gütesiegel ausgezeichnete Rindfleisch ein Produkt, das höchste Qualitätsstandards erfüllt. Karlheinz Marte war damit auch ein Pionier, was die Regionalität betrifft. Mit der SPAR-Handelsgruppe fand er ab 2001 einen starken Partner, der ihm 80 Prozent des Fleisches abnimmt. Der Rest kommt in die Selbstvermarktung. Dafür ist Schwiegertochter Franziska zuständig, die als gelernte Metzgerin eine Fachfrau für die Fleischverwertung ist. Die Kunden und Kundinnen schätzen ihre Kompetenz. „Ich kenne jeden Muskel des Tieres und weiß, wie man mit dem Fleisch umgehen muss.“ So kann sie die Fleischpakete praktisch maßschneidern. Auch bei den hauseigenen Schlachtungen, die Karlheinz Marte und sein Sohn Alexander (32) durchführen, ist sie dabei. Selbst geschlachtet werden jene Tiere, deren Fleisch für die Selbstvermarktung bestimmt ist. Die Schlachtung der Rinder für SPAR muss in einem AMA-zertifizierten Schlacht-Betrieb erfolgen. Das ist gesetzlich vorgeschrieben.
Gespür für die Tiere
Seit 1990 hat sich in der heimischen Landwirtschaft viel verändert. Die Konsumenten und Konsumentinnen sind anspruchsvoller geworden, zudem steht das Tierwohl mehr im Mittelpunkt. Für die Produzent:innen bedeutet dies, höchste Standards zu bieten und dennoch am Markt konkurrenzfähig zu bleiben. Das ist nur durch intensiven persönlichen Einsatz, Zusammenarbeit innerhalb der Familie und hohes Knowhow möglich. Der Martehof ist ein typischer Generationenbetrieb, in dem Landwirtschaft gelebt wird.
Im Laufe der Jahrzehnte hat Karlheinz Marte ein Gespür und Fingerspitzengefühl für die Tiere entwickelt. Er kennt das Verhalten der Rinder ganz genau. Das ermöglicht ihm, auch die verschiedensten Rassen im offenen Stall mit Auslauf zusammenzustellen. Dafür müssen die Abläufe genau stimmen. Deshalb nimmt er auch Jungtiere von zehn anderen Betrieben und macht – so seine Worte – das Beste daraus. „Ich habe so meine Erfahrungswerte gesammelt und weiß worauf ich schauen muss“, erklärt der Experte. Mit seinem Kennerblick kann er vieles beurteilen und richtig einschätzen. Wenn ein Rind frisst, sollte es beispielsweise die aufgenommene Nahrung rund 50-mal wiederkäuen. Tut es das nicht, liegt das zumeist am Futter. Dann kann entsprechend nachgebessert werden. Auch am Habitus des Tieres kann Marte viel ablesen. „Es gibt gewisse Griffe, mit denen man beispielsweise den Fettgehalt feststellen kann.“ So kann er etwa auch die Schlachtreife bestimmen.
Auch Sternzeichen spielen eine Rolle
Der noch 59-Jährige nimmt sich viel Zeit für seine Tiere, kommuniziert viel mit Gesten. Die Rinder scheinen ihn zu verstehen. Außerdem ist er überzeugt, dass auch die Sternzeichen ihren Einfluss haben. Wenn es zur Schlachtung geht, sollen die Rinder keinen Stress verspüren. Bis dahin fehlt es ihnen ohnehin an nichts. Es ist auch nicht sein Anspruch, den Betrieb weiter zu vergrößern. Vielmehr ist er froh, dass die nächste Generation dieselbe Begeisterung aufbringt. In seine alten Trachtenschuhe wird sie nicht mehr schlüpfen, aber dafür eines Tages in seine Fußstapfen treten.