Gleich hinter dem Hof der Familie Mitterlehner in Wald am Arlberg geht es schroff und steil hinauf. Dennoch fühlt sich Heidi Mitterlehner inmitten ihrer Schafherde hier besonders wohl. Die wolligen Tiere waren der Hauptgrund, warum die studierte Betriebswirtschafterin zurück in die Landwirtschaft fand.
Ein wenig fühlt man sich an die berühmte Romanfigur Heidi erinnert, wenn man vom Gasurahof in Wald am Arlberg hinauf auf den steilen Tobel blickt. Erst recht, wenn Heidi davon zu erzählen beginnt, dass sie sich um 150 Jahre zurückversetzt fühlt, wenn es mit den Schafen im Frühsommer über steile Felsen hinauf auf die Alp geht. Ein Bergbauernleben, wie es im 19. Jahrhundert war, wird dann für sie zur Realität.
Aber freilich hat Heidi Mitterlehner bis auf den gleichen Vornamen nichts mit der Romanfigur der Schweizer Autorin Johanna Spyri gemein. Es gibt auch keinen Geißen-Peter oder Alm-Öhi. Vielmehr ist die am Kristberg aufgewachsene Montafonerin eine Frau, die am MCI in Innsbruck Betriebswirtschaft studiert hat, einen akademischen Titel besitzt, danach noch eine Ausbildung zur Physiotherapeutin absolvierte und nun die Leidenschaft für das bäuerliche Leben wiederentdeckte. „Vor 15 Jahren hätte ich mir das noch nicht vorstellen können. Doch es hätte mir das Herz gebrochen, wenn der Hof, der jetzt in der 6. Generation bewirtschaftet wird, hätte schließen müssen“, erklärt die 40-Jährige, warum sie das Anwesen übernahm.
Der Vater und seine Schafe
Die Schafe waren und sind das Leben ihres 83-jährigen Vaters Kurt, der wegen seiner Zuneigung zu den wolligen Geschöpfen sogar schon mit dem Tierschutzpreis ausgezeichnet wurde. Heidi Mitterlehner hat inzwischen die Agenden übernommen und die Stallungen im Sinne der Tiere modernisiert. Eine Investition, die wegen der Kosten durchaus auch mit Mut verbunden war. Die Schafe und Lämmer hausen nun wie in einem Luxus-Chalet, in dem sie alle Annehmlichkeiten vorfinden. „Der Bau war nicht einfach, vor allem weil es wegen Lieferschwierigkeiten zu Verzögerungen kam.“ Sie erinnert sich an den Mai 2021 zurück, als der Heukran noch nicht geliefert war. „Ich war nahe am Verzweifeln, weil ich nicht wusste, wie ich das Heu ohne Kran einlagern sollte. Es konnte nur noch händisch erfolgen. Gott sei Dank haben mir viele geholfen. Die Bauern aus dem Tal haben ebenso mit angepackt, wie der Chef vom Maschinenring persönlich.“ Echte Gentlemen aus dem Klostertal eben.
Von der Aufzucht bis zum letzten Weg
Bevor es auf die Hutweiden ins Hochgebirge geht, genießen die verschiedensten Schafrassen ihr Leben im Stall. Zu ihnen zählen Tiroler Bergschafe, Jura, Berrichon du Cher sowie Tiroler und Krainer Steinschafe. Insgesamt rund 100 Tiere sind es, um die sich Heidi Mitterlehner und ihr Vater Kurt rührend kümmern. Sie begleitet sie von der Aufzucht bis zu ihrem letzten Weg. „Wenn es zum Metzger geht, bin ich beim Transport dabei. Sie sollen nicht leiden und keinen Stress haben und sich bis zum Schluss wohlfühlen.“ Das ist möglich, da sie Menschen gewohnt sind. „Unser Anspruch ist es, gesunde und hochwertige Lebensmittel zu produzieren“, betont Heidi, die sich aus persönlichem Interesse auch intensiv mit dem Thema Ernährung beschäftigt. „Was ich esse, das bin ich“, lautet ihr Motto. Die Produktpalette umfasst außer Lammfleisch und Schafwürsten noch Felle, die auf natürliche Art gegerbt werden. Ziel ist es, die Selbstvermarktung unter der Marke „Gasura Naturlamm“ zu intensivieren. Derzeit laufen die Vorbereitungen.
Jeder falsche Schritt könnte zum Absturz führen
Den ursprünglichen Gasurahof gibt es schon seit dreieinhalb Jahrhunderten. Anhand des Holzes konnte ermittelt werden, seit wann der Hof, von dem es nur noch zu Fuß nach oben weitergeht, besteht. Der Bau datiert aus dem Jahre 1661. Die Bewirtschaftung durch die jetzigen Besitzer begann anno 1769 durch Ur-Ur-Ur-Großvater Johann Alois Thoma. Also vor 253 Jahren. Heidis Oma heiratete einst einen Mitterlehner mit oberösterreichischen Wurzeln, der ins Ländle zog. Doch nicht nur das alte Holz könnte viele Geschichten erzählen, wenn es sprechen könnte. Das Gefühl, in einem früheren Jahrhundert zu sein, offenbart sich auch, wenn es mit den Schafen durch das Tobel geht. Es gilt, 800 Höhenmeter durch steiles und zum Teil sehr gefährliches Gelände zu bewältigen. Mit Gepäck dauert die Strecke rund eineinhalb Stunden. Der Auf- und Abtrieb muss dabei genau gemanagt werden. Die Tiere werden in zwei Gruppen eingeteilt. Zum einen gehen die Schafe mit den Böcken und zum anderen die Muttertiere mit ihren Lämmern im Konvoi. Sie müssen ruhig bleiben, dürfen sich nicht stressen oder drängeln. Denn jeder falsche Schritt könnte einen Absturz zu Folge haben. Auch ein Bach muss überquert werden. Hat dieser zu viel Wasser, reißt es die Lämmer weg.
Die Ruhe dort oben genießen
Trotz aller Mühen ist es für Heidi Mitterlehner selbstverständlich, ein paar Mal die Woche auf der Alp nach ihren Schafen zu schauen. „Es ist einfach herrlich, die Tiere zu sehen, wie sie sich wohlfühlen und die Ruhe dort oben genießen.“ Spätestens da geht das Herz der Frau Magister (FH) auf. „Ich habe Tiere immer schon geliebt und bin froh, dass ich mich zu einem Zurück zur Landwirtschaft entschieden habe.“ Heidi in der Bergwelt des Klostertals. Auch über ihre ganz persönliche Story ließe sich wohl ein Erfolgsroman verfassen.
Heidi Mitterlehner
6752 Wald am Arlberg
Gasura 81
T 0650 204 25 23
heidi.mitterlehner@gmail.com