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CERES AWARD - Tobias Ilg Mit Trophäe - Foto ©Timo Jaworr

Innovativer Klimaschutz aus dem Ländle

CERES AWARD - Tobias Ilg Mit Trophäe - Foto ©Timo Jaworr

Wir haben bei Tobias Ilg vom EnergieWerk Ilg in Dornbirn „nochgfrogt“, wie es mit der Gewinnung erneuerbarer Energie in Vorarlberg aussieht und welche spannenden Projekte er mit seinem Betrieb bereits umgesetzt oder geplant hat.

Tobias Ilg mit seiner qualitativ hochwertigen Pflanzenkohle - Foto ©Tobias Ilg

Hallo Tobias, du betreibst das EnergieWerk Ilg in Dornbirn und bist über die Grenzen hinaus als Energielandwirt bekannt. Wie ist dein Betrieb entstanden und was waren deine Beweggründe?

Tobias Ilg: Im Jahr 2000 habe ich den elterlichen Betrieb in Dornbirn übernommen. Es war ein kleiner landwirtschaftlicher Betrieb mit 20 Milchkühen und dem Fokus auf die Direktvermarktung. Neben der Tierhaltung war der Hof mit etwa 25 Hektar Waldflächen auch sehr forstwirtschaftlich orientiert und nach langen Tagen im Holz war das Melken am Abend und an den Wochenenden nicht immer die schönste Arbeit. Als dann ein Neubau des Stalls notwendig geworden wäre, haben wir uns 2002 entschlossen, einen anderen Weg zu gehen, und zwar in Richtung Energiewirtschaft. Die Entscheidung, so kurz nach der Hofübernahme mit der klassischen Landwirtschaft aufzuhören, war insbesondere für meine Eltern nicht einfach. Aber ich habe von zu Hause immer den Rückhalt bekommen und schlussendlich hat die gesamte Familie die Entscheidung mitgetragen.

Begonnen hat es mit dem Bau einer Biogasanlage, die von mehreren Betrieben beliefert wurde. Im nächsten Schritt haben wir das erste Energie-Contracting-Projekt umgesetzt. Wir haben die Wärmezufuhr in einer Wohnanlage durch einen Hackschnitzelkessel übernommen. Die Hauseigentümer mussten sich um nichts mehr kümmern – keine Wartung, kein Kauf von Heizmitteln. Diese Energiedienstleistung war für uns ein Meilenstein, da wir für unsere Kunden gleich komfortabel waren wie eine Gasheizung. Ab 2012 haben wir die Erzeugung erneuerbarer Energie in den Mittelpunkt gestellt und sukzessive das Fernwärmenetz ausgebaut. Inzwischen spielen insbesondere die Herstellung von Pflanzenkohle und die damit verbundene Speicherung von CO₂ eine große Rolle in unserem Betrieb.

Du hast mit deinem Betrieb schon einige Preise eingeheimst. In welchen Bereichen war das und welcher ist für dich persönlich der wertvollste?

Tobias Ilg: Grundsätzlich geht es uns darum, nicht die handelnden Personen, sondern den Betrieb und die Projekte in den Vordergrund zu rücken. Wir konnten schon mehrere Preise gewinnen, wie den <<i luag druf>> Zukunftspreis. Die wohl wichtigste Auszeichnung für uns war aber 2018 der Ceres Award, der in Berlin verliehen wurde. Es ist der bekannteste Preis im landwirtschaftlichen Umfeld im deutschsprachigen Raum. Das Besondere war, dass wir nicht nur unsere Kategorie „Energielandwirt“ gewonnen haben, sondern auch den Gesamthauptpreis „Landwirt des Jahres“. Bei solchen Preisen geht es darum, die Öffentlichkeit über Innovationen in der Landwirtschaft zu informieren und dieser ein Gesicht zu geben. Aus der Bekanntheit nach diesem Preis sind mehrere Einladungen zu Vorträgen und viele Kontakte entstanden, die extrem wichtig für den Informationsaustausch sind.

Die Energiegewinnung ist insbesondere im Kontext des Klimawandels ein wichtiger Punkt. Wie siehst du hierbei den Vorarlberger Energiesektor und wo soll die Reise deiner Meinung nach hingehen?

Wir setzen auf Wasserkraft, aber auch weitere Energiesektoren werden in die Diskussion einbezogen. Das ist wichtig. Auch Windkraft wird in Vorarlberg einen Platz finden. Eine große Rolle sollten meiner Meinung nach die dezentralen kleinen Energieerzeugungsanlagen in Form von Energiegemeinschaften spielen, sobald diese gesetzlich geregelt sind. Über das „Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz“ (EAG) ist es seit Kurzem möglich, dass diese Energiegemeinschaften mit PV-Anlagen einen Vermarktungsweg finden. Hoffentlich ist es auch bald mit Kleinwasserkraftwerken und Biogasanlagen möglich. Um die Klimaziele zu erreichen, müssen wir insgesamt weg von der fossilen hin zur erneuerbaren Energie. Derzeit gibt es jedoch nur den freiwilligen und förderungsunterstützten Umstieg. Über gesetzliche Regelungen ist der Hebel viel größer. Ähnlich der Biodieselbeimischung könnte auch beim Gas eine Quotenbeimischung von Biogas eingeführt werden.

Bis vor fünf Jahren haben die Gasversorger gesagt: Das Biogas wird unser Erdgasnetz nicht verschmutzen. Dabei ist es chemisch das Gleiche. Durch den Russland-Ukraine-Konflikt und die daraus resultierenden Engpässe bei der Gasversorgung war davon plötzlich keine Rede mehr. Die Landwirtschaft kann im Energiesektor sehr viel beitragen. Biomasse ist eine wesentliche Energieform, die regional mit hoher Wertschöpfung vorkommt. Wir haben das Potential in unseren Wäldern. Alte Bäume sterben eines Tages, ob wir sie fällen oder nicht, und der Wald muss sowieso verjüngt werden. Dazu kommt die Aufteilung der Biomasse: Wenn Bauholz produziert wird, dann sind vom entnommenen Baum ein Drittel Nutzholz und zwei Drittel Biomasse. Ein Teil der Biomasse geht in die Papierherstellung, aber insgesamt 50 Prozent der Bäume werden thermisch verwertet. Da wir das schon immer so betreiben und es in Vorarlberg auch schon immer so war, haben wir gesunde Wälder, denn sehr viel Schadholz kann dadurch verwertet werden. Seit regionale Biomasseheizwerke entstanden sind und faire Preise bezahlt werden, kann man diese Biomasse nutzen. Das ist ein wesentlicher Teil unseres Klimaschutzbeitrags, besonders im Vergleich zu anderen Ländern. Es gibt in Vorarlberg kaum eine Gemeinde ohne eigenes Biomasseheizwerk.

Wie sieht es in der Landwirtschaft in Bezug auf den Klimaschutz aus?

Tobias Ilg: Die Landwirtschaft wird zukünftig drei Einkommensquellen haben: das landwirtschaftliche Produkt an sich, Förderungen und Klimadienstleistungen. Letztere müssen aber abgegolten werden. Die Schwierigkeit liegt hierbei im Nachweis. Daher habe ich 2019 die Plattform Carbon Future mitgegründet, eine CO₂-Handelsplattform. Dort können Firmen Zertifikate kaufen, um ihren eigenen Fußabdruck zu verbessern. Als Beispiel: Ein Landwirt kauft eine Tonne Pflanzenkohle, die er über den Güllekasten auf seinen Weiden ausbringt. Das fördert den Humusaufbau, macht die Böden klimafit und steigert das Wasserspeichervermögen. Zudem fungiert es als CO₂-Senke, der Kohlenstoff wird langfristig dort gebunden.

Firmen wie Microsoft und Google kaufen dann auf der Plattform Carbon Future das Zertifikat von diesem Landwirt. Dieser hat somit einen Teil der Anschaffungskosten für die Pflanzenkohle wieder eingenommen und etwas Gutes fürs Klima geleistet. Ein weiterer Vorteil der Pflanzenkohle in der Gülle ist, dass diese beim Ausbringen nicht mehr stinkt. Daher hat auch der Tourismus oft ein Interesse an dieser Maßnahme. Lech als Beispiel kompensiert auf diese Weise die klimaschädliche Anreise vieler Touristen und hat zudem angenehme Luft. Bei 70 Prozent der Pflanzenkohle, die wir vermarkten, haben wir bereits einen Käufer für das CO₂-Zertifikat. Dies sind Modelle, wie die Landwirtschaft vom oft verrufenen Klimasünder zum Klimaretter wird.

Pflanzenkohle von Tobias Ilg wird auf dem Feld ausgebracht zur CO2-Senke - Foto ©Tobias Ilg

Das klingt nach einer sinnvollen Maßnahme. Wieso wird das nicht flächendeckender gemacht?

Tobias Ilg: Pflanzenkohle entsteht durch Pyrolyse. Auf den Feldern ausgebracht werden kann aber nur zertifizierte, hochwertige Pflanzenkohle, wie die unsere. Die Qualität hängt von der Anlage ab. Bei Pyrolyseanlagen, die vorrangig Wärme produzieren, entsteht meist Pflanzenkohle mit schlechter Qualität, die in der Landwirtschaft keine Anwendung findet. Bei uns sieht das Geschäftsmodell anders aus, indem drei Produkte in der Anlage entstehen: Strom, Wärme und als Reststoff Pflanzenkohle. Es gibt also derzeit nicht viele regionale Anbieter von zertifizierter Pflanzenkohle.

Zur Verbesserung ihres Fußabdrucks setzen viele Firmen auf der ganzen Welt auf Kompensationen durch CO₂-Zertifikate. Wie stehst du zu diesem Vorgehen der Industrie und anderer Unternehmen?

Tobias Ilg: Wie bereits erwähnt funktioniert das über die Plattform Carbon Future sehr gut. Aber nicht bei allen Zertifikaten handelt es sich um Klima-Dienstleistungen. Zur Erklärung: Wenn jemand Fahrrad statt Auto fährt, ist es keine aktive Verbesserung der CO₂-Bilanz, sondern richtet nur weniger Schaden an. Wir müssen aber aktiv etwas verbessern. Es gibt Zertifikate für Vermeidung, wie z. B. für das das Nichtabholzen in einem Forst, damit die Bäume stehen bleiben. Aber was mache ich, wenn der Borkenkäfer kommt und Bäume absterben? Ähnlich sieht es mit anderen Zertifikaten aus. Leute sitzen in einem Flugzeug, machen ein Kreuzchen und fliegen für 12,50 Euro CO₂-neutral, weil dafür irgendwo in der Welt der Bau eines Windrades gefördert wird. Sie helfen damit anderen bei der Umstellung, die eigene CO₂-Emissionen werden aber überhaupt nicht berücksichtigt. Da muss man schon genau hinschauen, welche Wertigkeit die Zertifikate haben.

Klimabeton als CO2-Senke - Foto ©Tobias Ilg

Du hast neben dem Einsatz in der Landwirtschaft aber noch weitere Verwendung für die Pflanzenkohle, nämlich im Klimabeton. Was hat es damit auf sich?

Tobias Ilg: Auch hier geht es um eine Kohlenstoffsenke, also die dauerhafte Bindung. Die Bauindustrie ist ein interessanter Sektor mit extrem hohen Potential. Asphalt hat pro Tonne ein CO₂-Äquivalent von etwa 40 Kilogramm. Mischen wir ihm 60 Kilogramm Pflanzenkohle bei, ist die Funktion des Baustoffs unverändert, der Asphalt aber klimapositiv. Ähnlich ist es mit dem Klimabeton, woran vor einigen Jahren geforscht wurde. Bei mehreren Versuchen wurde der Beton nicht hart, erst mit unserer hochwertigen Pflanzenkohle war das Forschungsteam erfolgreich.

Der Klimabeton wurde dann zum ersten Mal in Altach im großen Stil produziert und hat neben der Speicherung des Kohlenstoffs auch funktionelle Vorteile, wir können Zement weglassen. Ich selbst war hier eher die Hebamme, habe alle zusammengebracht und das Projekt auf den Weg. Allein wenn beim Bau im öffentlichen Sektor der CO₂-Fußabdruck berechnet werden müsste, wären derartige Baustoffe häufiger im Einsatz und eine gute Möglichkeit zur Speicherung von Kohlenstoff.

Ein neues Projekt bei euch lautet „Carbon Capture“. Um was geht es da?

Tobias Ilg: Ab Sommer 2025 scheiden wir vom Abgaskamin des Heizwerks das CO₂ ab, um es zu nutzen. In Summe sieht es so aus: Vom Kohlenstoff in der verwendeten Biomasse bleiben 15 Prozent in Form von Pflanzenkohle übrig, die Verwendung hab ich bereits ausführlich erklärt. Vom Rest werden rund 90 Prozent rausgefiltert und als Kohlensäure gespeichert. Diese regional produzierte Kohlensäure soll als eine echte Alternative für die Herstellung von Mineralwasser, Limos und anderen Getränke dienen, die derzeit größtenteils mit Kohlensäure aus Anlagen fossiler Verwertung, z. B. aus der Handelsdüngererzeugung, versetzt werden.

Was wären deiner Meinung nach große Hebel zur Verbesserung der Situation im Kontext des Klimaschutzes und wie kann die Landwirtschaft integriert werden?

Tobias Ilg: Auf dem Markt werden Klima-Dienstleistungen noch unterschiedlich bezahlt. Die Fabrik von Climeworks in Island, die CO₂ aus der Luft absaugt, und dabei extrem energieaufwendig ist, erhält für ein Zertifikat von einer Tonne CO₂ ca. 800 Euro. Wir bekommen für unsere Zertifikate etwa 150 Euro. Wären diese Preise ausgeglichener, würde der Sektor regional wachsen und es würde auch mehr investiert. Dann würde aber viel mehr Biomasse in die Pyrolyse gehen und weniger für grünen Kohlenstoff, der für E-Fuels benötigt wird, zur Verfügung stehen. Es gibt hier also auch einige Zielkonflikte. Grundsätzlich müssen aber mehrere Wege verfolgt werden. Denn alles, was CO₂ bindet und die Nutzung fossiler Brennstoffe verringert, hilft dem Klima. Klimaschutz und Klima-Dienstleistung sehe ich als große Chance für die Vorarlberger Landwirtschaft, die einen Fuß in die Tür bekommen muss. Es wird schon viel gemacht, die Herausforderung ist der Nachweis. Wir sollten noch aktiver und bewusster am Klimaschutz teilnehmen und Projekte umsetzen. Die Landwirtschaft ist nicht der böse Klimaverschmutzer, sie kann ihren Beitrag leisten, und zwar nicht nur durch Reduktion klimaschädlicher Handlungen, sondern auch durch aktive Klimarettung.

Tobias Ilg

Pionier und Unternehmer aus Dornbirn

Biomassehof
Hatlerstraße 66a
6850 Dornbirn
T 05572 22794
E info@biomassehof.at
www.biomassehof.at

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